Verdeckter Antisemitismus?
Es geht also weiter – und die bundesdeutschen Beauftragten gegen Antisemitismus ignorieren weiterhin oder schon wieder? Eine aktuelle Kalendergeschichte von Jan Knopf
Wohnhaus Ecke Lamm- und Lange Straße in Karlsruhe um 1912 mit dem Geschäft der Geschwister Knopf.
Als ich 1972 aus Norddeutschland nach Karlsruhe kam, stellte ich beim ersten Blick ins Telefonbuch fest: Hier gibt es viele Knöpfe. In Hannover war ich bei etwa einer halben Million Einwohnern ein einsamer Knopf, in Karlsruhe, das damals nur etwa die Hälfte an Personen aufwies, wimmelte es geradezu von Knöpfen. Ein weiterer Blick bestätigte den Sachverhalt auch für Baden, ja sogar für Strassburg und das Elsass. Als ein in Deutschland Vertriebener kümmerte ich mich allerdings nicht weiter darum, ob ich hier meine Wurzeln haben und womöglich auch noch meine Vorfahren finden könnte. 1994 brachte die Stadt Karlsruhe am neoklassizistischen Bau der Kaiserstraße 147 eine kleine Gedenktafel an: »Das erste Karlsruher Kaufhaus wurde 1881 hier im ehemaligen Palais des Bankiers v. Haber von den Geschwistern Knopf eingerichtet. 1912-1914 erbauten sie nach den Plänen von Wilhelm Kreis dieses Gebäude. Das jüdische Unternehmen wurde 1938 >arisiert< und von Friedrich Hölscher bis 1953 be - trieben. 1954 übernahm die Karstadt AG das Warenhaus.« Karstadt-Knopf? Das war mir neu, obwohl ich schon über 20 Jahre in Karlsruhe lebte und auch bei Karstadt gelegentlich eingekauft hatte. 2016 veranstaltete das Stadtarchiv Karlsruhe die Ausstellung »Waren. Haus. Geschichte. Die Knopf- Dynastie und Karlsruhe«. Sie sollte einen der »größten Warenhauskonzerne Süddeutschlands« würdigen und zählte die Familie Knopf jetzt »zu den ganz Großen«. Dynastie heißt >Herrschaft<. Diesen Namen verdienten sich traditionell Fürsten- und Herrschergeschlechter in der Sorge, ihre Macht in der Familie zu erhalten, und die sich deshalb nicht unbedingt um das Wohl ihrer Untertanen kümmerten. Konzerne heißen Zusammenschlüsse einst selbständiger Firmen mit expandierendem Geschäftsinteresse. Waren und Haus, diese Begriffe könn - ten so einigermaßen für die Karlsruher Knöpfe stimmen. Mit der Geschichte sieht es anders aus. Die Knopf-Geschichte führe ich an als eine Parallele zu einem aktuellen Film. Sie zeigt, welch eklatante Fehlgriffe möglich sind, wenn wir Begriffe oder Muster unreflektiert übernehmen und dadurch wie selbstverständlich tradieren. Die Zukunft hängt ab von der Erledigung der Vergangenheit, und erledigen heißt: erst wenn wir unsere Vergangenheit aufgearbeitet haben, können wir sie auch ablegen, weil sie ein Teil von uns geworden ist und wir dann mit den Erfahrungen der Vergangenheit, guten und schlechten, unsere Zukunft gestalten können. »Mackie Messer – Brechts Dreigroschenfilm« - Prädikat »Besonders wertvoll« 2018 kam mit einer üppigen Werbekampagne der Film »Mackie Messer Brechts Dreigroschenfilm« auf dem Filmfest für Kinofilme in München groß heraus. Das Prädikat »Besonders wertvoll« und die Freigabe ab 6 Jahren hatte er sich schon vor seiner >Weltpremiere< gesichert. So konnte das Fernsehen (ARD/BR) die Filmcrew zum Ereignis auf dem roten Teppich inszenieren. Der bayerische Ministerpräsident eröffnete mit der Geschichte eines Verbrechers und Mörders, der ins Bankfach wechselt, als großes Ereignis und spendete aus >seiner< Staatskasse spontan 3 Millionen Euro, um den Standort München für den Film aufzuwerten. Die Presse jubelte dazu und schrieb nach, was schon in den Prospekten der Filmemacher stand. h t t p s : / / w w w . y o u t u b e . c o m / w a t c h ? v = q Y m l - - t z u 2 M (Aufzeichnung vom 28. Juni 2018) Kommentator: »Ein ganz besonderer Protagonist«. Ministerpräsident Markus Söder mit einer Dame an der Seite, die niemand kennt; der N.N.-Herr hinter ihr ge - hört nicht zu ihr. M.S. zu Füßen die Direktorin des Filmfestes, Diana Iljine und rechts neben ihr, ebenfalls mit Fußfall, Tobias Moretti, der Mackie Messer des Films. Diana Iljine (am 28. Juni 2018): »Der [M.S.] hat richtig gebrainstormed […] und noch eins draufgesetzt [näm - lich die 3 Mille]«. Und selbstverständlich… Evelyn Voigt-Müller i.A. Diana Iljine (an JK am 27. März 2021): »Und selbstverständlich hatte die von Ihnen erwähnte damalige Erhöhung des Filmfest- Budgets nichts mit der Wahl des Eröffnungsfilms zu tun, sondern wurde lediglich im Umfeld der Eröffnung bekannt gegeben.« M.S: »Ich habe selber mal fürs Fernsehen gearbeitet. […] Das gehört zum Kulturland Bayern einfach dazu.« Der Kinofilm, dessen Produktion 9 (neun) Millionen Euro gekostet haben soll, hatte beim Publikum trotzdem keinen Erfolg. Wohl deshalb musste der Mitproduzent, der SWR, innerhalb von gut zwei Jahren den Streifen als Fernsehspiel gleich dreimal im öffentlich-rechtlichen Fernsehen unterbringen (SWR, arte, 3sat) und arbeitete damit öffentliche Gelder ab. Der Film erreichte so zumindest poten - ziell ein Millionenpublikum und ist deshalb ein öffentlicher Paradefall für verdeckten Antisemitismus, den bisher niemand bemerkte und den wir gerade deshalb hiermit offenlegen müssen. Dieser Fall liegt komplizierter als der Antisemitismus, der sich in Hassreden oder gar Gewalt äußert. Er fällt nicht sofort auf, weil er eingebunden ist in eine Geschichte, hier in die der »Dreigroschenoper«. Sie zeigt neben der Liebesgeschichte von Mackie Messer und der Tochter des >Bettlerunternehmers Peachum den erfolgreichen Aufstieg des Gangsters zum Bankier und zeigt, dass genaugenommen keine Unterschiede zwischen beiden Berufsgruppen gibt. Das wird möglich, weil Räuber, Polizeichef und Geschäftsleute sich gegen die eigene Bevölkerung zusammenschließen. Sie haben erkannt: Der Reichtum der Wenigen ist nur möglich durch die Armut der Vielen. Also sorgen sie dafür, dass die Reichen gute Reiche und die Armen gute Arme werden. Dann ist das Staatssystem stabil und die Moral gerettet. „Der Antisemitismus fällt nicht sofort auf, weil er eingebunden ist in eine Geschichte.“ Diese zynische Moral ist in Brechts Stück die christliche, die Brecht als traditionelle Folie der Gangsterkarriere unterlegt und so den Prototyp der Geschäftswelt abgibt. Mackie Messer wird wie Christus dreimal verraten. Der Name der Verräterin beginnt wie der des Judas mit »J«, es ist die Hure Jenny. Die Verurteilung geschieht an einem Donnerstag. Am Freitag ist die Hinrichtung angesetzt. Bei so viel symbolischer Belastung in einem zwiespältigen Bereich zwischen Blasphemie, Sakrileg und zweifelhafter Ironie, die bereits die »Dreigroschenoper« von 1928 vorgibt, ist folglich Vorsicht gebo - ten beim Versuch, noch eigene Symbolik draufzusetzen, wenn die vorgegebene in ihrer Herausforderung nicht erkannt ist und dies ausgerechnet über das >Hoppla<, das die Damen >zu Fall< bringt, wie Polly Peachum und Carola Neher in diesem Film. Der Film »Mackie Messer« nun zeichnet in >komplexer< Vernetzung mit entsprechend eingesetzten Schnitten oder Übergängen den historischen »Dreigroschenprozeß« nach, den Brecht 1930 gegen die Filmfirma NERO führte und der sich in seiner gleichnamigen Schrift als ästhetische Thoerie nie - dergeschlagen hat (1931). Parallel dazu lässt er als Film im Film den Dreigroschenfilm entstehen, der Brecht als >Vision< vorschwebte, den er aber aus politischen Gründen nicht realisieren konnte. Beide Handlungen sind, nebst Brechts Liebesgeschichten als Beigabe eingebettet in die politischen Ereignisse der Zeit –, mit dem Anspruch, den >Blick hinter die Kulissen von damals< zu öffnen. Für den Dreigroschenprozess benötigten die Filmemacher einen Gegenspieler zur Hauptfigur des Bertolt Brecht. Relativ kurze Spielfilme müssen die Handlung, die sich real über Monate hinzog, kon - zentrieren. Das traditionelle Muster des Duells zwischen zwei möglichst gleichwertigen Gegnern bot sich an. Den Kontrahenten fanden die Drehbuchautoren im prominenten Produktionschef der Firma Nero Seymour Nebenzahl. Damit Brechts Position (des Guten, des Helden) anschaulich und mög - lichst dramatisch wirkungsvoll ausfiel, musste der Kontrahent (der Böse, der negative Held) pointiert entgegengesetzte Interessen vertreten. Hier standen Kunst gegen Kapital. Der Einzelne, der Autor Brecht, stieß auf den mächtigen Produktionsapparat Film, personifiziert im Firmenboss Nebenzahl. Dieser verfügte über die Produktionsmittel und das Geld, um Brechts Vorlage zu verfilmen und auf den Markt zu bringen, jener, der Urheber, konnte nur seinen Text und für diesen Fall die Partituren sei - nes Co-Autors Kurt Weill auf dem Papier vorzeigen. Und dort blieben sie, käme der Apparat nicht zum Zug. Ohnmächtig musste Brecht zusehen, wie >seine< »Dreigroschenoper«, wie er urteilte, zu >Dreck< verschandelt wurde.. Da Brecht vor Gericht unterlag, und die Nero ohne Brechts Zustimmung >ihren< Dreigroschenfilm drehte und 1931 herausbrachte, ging der Prozess für Brecht im Sinn der alten Dramaturgie tragisch aus. Ohnmächtig musste er zusehen, wie >seine< »Dreigroschenoper«, wie er urteilte, zu >Dreck< verschandelt, zum Welterfolg auf der Leinwand wurde. Um diese historische Niederlage nicht einfach zu akzeptieren, so die Idee der Filmemacher von 2018, darf Brecht im aktuellen Film über Nebenzahl triumphieren, indem sein Dreigroschenfilm als Film im Film, nach seinen Vorstellungen >richtigge - stellt<, doch noch auf die Leinwand kommt und das jeweils aktuelle Publikum dabei unmittelbarer Zeuge wird. Brechts (virtueller) >Dreigroschenfilm< entsteht während der Verhandlungen mit Nebenzahl und des Prozesses gegen Nebenzahl quasi als unmittelbares Anschauungsmaterial, wie es 1930 hätte sein können, wenn die Verhältnisse nicht >so< gewesen wären. Mit Nebenzahl aber gelang der anitsemitische Fehlgriff. Da er die Geldseite (die böse) vertritt, vertritt er auch im Film den rigorosen Geschäftemacher, der nur an seinen Profit denkt und ästhetischen Fragen des Dichters nicht zugänglich ist. Dazu passen die traditionellen Muster, die Stereotypen, und diese sind leider diejenigen, die in der Zeit, in der die Filmhandlung spielt, für die Denunziation von >Juden< benutzt worden sind und genau in dieser Zeit begannen, sich offen auf den Straßen des >Deutschen Reiches< mit blutigem Terror breitzumachen, während das >Publikum< zusah, aber nicht Zeuge sein wollte. Hätten sich die wissenschaftlichen Berater auch nur oberflächlich informiert, wären folgende Tatsachen nicht zu übersehen gewesen. Nebenzahl gehörte in der Weimarer Republik zur Elite der Filmemacher und produzierte, sozusagen reihenweise, Filmklassiker. Ich verweise nur auf »M« von 1931, dessen überragende Qualität Nebenzahl quasi unsterblich werden ließ: »M Eine Stadt sucht einen Mörder« steht an 6. Stelle der internationalen Liste der hundert >ewigen< Filme. Nebenzahl war den Nazis als gesellschaftskritischer Künstler schon früh ein Dorn im Auge und wurde gleich nach Beginn ihrer politisch etablierten Terrorherrschaft wie Brecht ins Exil getrieben. Da er zudem mit Brecht nie persönlich etwas zu tun hatte, wie auch umgekehrt Brecht nicht mit ihm, hätten die Drehbuchautoren kaum jemanden finden können, der ungeeigneter als Nebenzahl gewesen wäre, den Widerpart zu Brecht abzugeben. „Hoppla, Hoppla“ jedoch stammt aus einem politischen Hetzfilm, den ein berüchtig- ter Nazi-Regisseur im Auftrag des Propagandaministeriums 1937 produzierte.. Das hätte noch hingehen und aus der Handlung begründet werden können. Völlig abwegig wird die Angelegenheit dadurch, dass sie und dies bei einem Musikfilm, der ausreichendes Material aus der Oper mitbrachte ein Lied einbauten, um dessen Herkunft sich die wissenschaftliche Beratung, übri - gens zwei bekannte Musikwissenschaftler, auch nicht kümmerte. Es handelt sich um ein billiges Liedchen, in dem der Mann im >graziösen< Rhythmus eines Foxtrotts nach offenbar erfolgreicher Liebesnacht die Dame am Morgen aufklärt: »Hoppla-Hoppla«: Das war alles nur ein Versehen. Dieses >Hoppla< war offenbar deshalb so faszinierend, weil es zum berühmten >Hoppla< der Seeräuber- Jenny, mit der diese die rollenden Köpfe der herrschen Raubgesellschaft kommentiert, zu passen schien. Also verteilten sie das >Hoppla< in einer Art Leitmotiv über den gesamten Mackie-Messer- Film, verliehen ihm durchgehend sexuelle Symbolik (über den weiblichen-entzückenden Hintern und aufreizende Paartänze), markierten zusätzlich das augenzwinkernde Finale durch die Hure Jenny und setzten obendrein seine beschwingte Melodie als rhythmische Gefühlseinstimmung im Trailer ein. Das Lied jedoch stammt aus einem politischen Hetzfilm, den ein berüchtigter Nazi-Regisseur im Auftrag des Propagandaministeriums 1937 produzierte und mit dem Prädikat „Politisch wertvoll“ zum >Anschluss< von Österreich im April 1938 in die Kinos brachte. Es war eingesetzt, den rassistischen Inhalt (hier gegen die Russen gewendet) mit leichten Rhythmen abzufedern und die Gefühle des Publikums unbewusst fehlzuleiten, eine perfide Verwendung der damals noch jungen Medien zu un - terschwelliger Beeinflussung und emotionaler Einschwörung des Publikums. Wie wirksam das >Mittel< war, beweist das scheinbar ahnungslose Mitläufertum einer großen Mehrheit der deutschen Bevölkerung, die hinterher beteuerten, >keine Ahnung< von den Nazi-Gräueln gehabt zu haben. Auch hier hätte der unreflektierte Griff in die Vergangenheit kaum deftiger missraten können. Die Filmhandlung spielt 1930, das Lied entstand erst 1937, ein sträflicher Anachronismus bei historischem Anspruch. Sein lächerlicher, frauenfeindlicher Inhalt wurde zudem nicht erkannt, sein einfachster, aber eingängiger Rhythmus als so genannter »Schieber« missachtet und sein Thema auf das billigste Niveau herabgeschraubt, den Filme, die es nötig haben, einsetzen: den unverbindlichen, damit aber eigentlich brutalen Sex, der mit gut verteilten Kurz-Spots von nackten Brüsten und Schenkeln als >äs - thetische< Mittel unterstrichen wird. Der eigentliche Skandal liegt nicht bei den Filmemachern. Sie beweisen nur, dass sie schlampig ar - beiteten, dem historischen Anspruch, etwas Neues aufzudecken, nicht genügten und von Brechts avantgardistischer Ästhetik nicht die geringste Ahnung haben. Solche Produkte kommen allenthalben auf den Markt, und der Markt entscheidet dann in der Regel auch darüber. Da Zensur nicht stattfindet, könnten lediglich direkt Betroffene gerichtlich dagegen vorgehen. Ansonsten fällt unbewusster oder gut verdeckter Rassismus unter das Prinzip: im Zweifel für den Angeklagten. Der Skandal beginnt, wenn die FBW, die oberste Filmbewertungsstelle unserer Republik, besetzt mit FilmexpertInnen, einen solchen Streifen mit dem Prädikat »Besonders wertvoll« auszeichnet, einem Prädikat, das alle kulturellen und finanziellen Türen öffnet und nach der Satzung sogar >gesetzliche Relevanz< hat. Darüber hinaus erklärten sie das Werk zum Leitbild von >wahrhaft Brecht’scher< Kunst und empfahlen es für die Schule sowie für die Erwachsenenbildung. Hinzu kommt die Freigabe ab 6 Jahren durch die FSK. Da die FBW eine inhaltliche Stellungnahme zu den vorliegenden Fakten mit einseitigem Abbruch des Diskurses meidet, muss ich einen anderen Weg in die Öffentlichkeit suchten. Alle versichern: Wehret den Anfängen; unternommen wird nichts gegen diese scheinbar unscheinbaren Anfänge. SA-Posten versperren am Boykott-Tag, dem 1. April 1933, den Lörrachern den Zutritt zum Geschäft von Sally Knopf. Eintritt verboten, Zuschauen erlaubt. Schließe ich den Bogen zurück zu den Knöpfen. Der Versuch, die >Juden< angemessen zu würdigen, ging gründlich daneben. Die >Knopf<-Dynastie war in Wahrheit ein Familien-Unternehmen wie etwa das Karlsruher Familien-Geschäft von Schirm Weinig nur wenige Häuser weiter. Weil die Knöpfe gute Ware vertrieben, ihre Angestellten ordentlich behandelten und streng darauf achteten, nicht über ihre Verhältnisse zu wirtschaften, hatten sie Erfolg und erkannten mit der Gründung des Karlsruher Warenhauses die Zeichen der Zeit, die neue Massengesellschaft, deren ökonomisches Pendant nun einmal das Warenhaus war: keine jüdische, sondern eine (notwendig zeitgemäße) kapitalistische Einrichtung wie die heutigen Super-Märkte. Dass die Knöpfe weitere Filialen in Süddeutschland, in der Schweiz und im Elsass gründeten, war nicht die Bildung eines Konzerns, sondern die kluge Anlage ihrer Gewinne. Die Knopf-Geschäfte kauften und verkauften nur das, was sie sich leisten, also auch bezahlen konnten. Wenn Filialen Verluste einfuhren, nahmen sie keine Kredite auf, sondern schlossen sie. Strikt lehnte das Familien-Unternehmen die »Konsumfinanzierung« ab, die aus den USA mit dem Konsumkapitalismus des »Fordismus« nach Europa kam. Mit der Konsumfinanzierung wurde nicht mehr bezahlt, sondern investiert, also gekauft, gebaut, verkauft oder einfach als Luftgeschäft imagi - niert, was noch gar nicht vorhanden war und dessen Erfolg aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung nur ansatzweise, nie aber genau zu bestimmen war und Pleiten einschloss. Die Finanzierung auf >Vorschuss< und >Pump< garantierte auf einmal das >Wachstum<, das deshalb so heißt, weil es nicht von selbst wächst, sondern durch die Bankinstitute und den Staat manipuliert wird und nach christlicher Überlieferung den >Juden< als angestammtes Laster buchstäblich in die Schue gescho - ben wurde und also immer noch wird. Die Vermittler von Geld, die keine produktive Arbeit leisteten, waren die Gewinner. Und die >Juden< Knopf? Sie machten genau das Gegenteil von dem, was die Christen nun zum System erhoben: die Zins- und Geldwirtschaft. Vielleicht gehören meine süddeutschen Knöpfe doch zu den >ganz Großen<, gleich - gültig, ob ich nun mit ihnen verwandt bin oder nicht. „Wenn die Greuel ein bestimmtes Maß erreicht haben Gehen die Beispiele aus. Die Untaten vermehren sich Und die Weherufe verstummen. Die Verbrechen gehen frech auf die Straße Und spotten laut der Beschreibung. „ Bertolt Brecht (1933) Anhang eines geneigten Lesers Eine analoge Geschichte: Neulich irgendwo in einem Paralleluniversum »Hallo, liebes Ministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft, ich melde mich, weil in dem mit ihrem Bio-Siegel prä - mierten Produkt ›Echte Brechtbohnen, original zitiert, 455 ml‹ des Herstellers ›J. A. Lang Konserven‹ nur 400 ml drin sind. Dafür Teile von Zitronen, die nicht als Inhalt deklariert sind, Spuren von Pestiziden enthalten und nachweislich nicht in Augsburg oder Berlin wachsen, also nicht original sind. Ich fordere Sie darum auf, Ihr Bio-Siegel für das Produkt zurückzuziehen.« »Hallo, lieber Herr K., vielen Dank für Ihr Interesse und dass Sie sich als verzehrender Bürger für die Ernährungsvielfalt interessieren. Leider können wir Ihrem Anliegen nicht folgen, da Rezept- und Kochfreiheit gilt. Wir sind keine Zensurbehörde, und es muss nicht je - dermann alles und jedes schmecken.« »Hallo, liebes Ministerium, ich bin nicht der ›Jedermann‹, sondern Professor für Rezepturwissenschaft und Leiter der ›Arbeitsstelle Brecht und Bohnen (ABB)‹ an einer Gourmet-Universität und bescheinige diesem Produkt nicht nur nachgewiesene falsche Inhalte, son - dern daraus resultierend Gesundheitsgefahr für Allergiker. Ich fordere Sie darum nochmals und be - gründet auf, Ihr Bio-Siegel für das Produkt zurückzuziehen.« »Sehr geehrter Herr Prof. K., mit Interesse habe ich Ihr Schreiben gelesen. Es ist ganz im Sinne der von Ihnen intendierten lebenmittelwissenschaftlichen Diskussion. Unsere Jury, die sich hier ausführ - lich mit der Konserve beschäftigt hat, ist jedoch zu einer anderen Auffassung und einer anderen Bewertung gelangt. Diese Bewertung ist ausführlich in dem von uns veröffentlichten Bio-Siegel- Gutachten dargelegt. (…) Die von Ihnen an uns herange - tragenen Wünsche sind nicht (…) zu erfüllen. Dies wurde auch bereits ausführlich in un - serem Schreiben vom 15.2.2021 dargelegt. Wir als Behörde wollen diesen für viele unterschiedlichen Geschmäcker und Mägen of - fenen Diskurs nicht einschrän - ken. Und dies obliegt uns auch nicht. Ihre Hartnäckigkeit in Ehren. Und Respekt auch für Ihre Arbeit und Recherche. Ich hoffe jedoch sehr, dass ich Ihnen mit diesem Schreiben abschließend vermitteln konnte, dass wir nicht der rich - tige Adressat sind für Ihre Ausführungen. Mit freundlichen Gemüsen …« WAHRHAFT BRECHT’SCH: Hoppla, hoppla! heute schenk ich Dir mein Herz für eine Nacht. Meine Liebe, meine Küsse haben oft schon Glück gebracht. Hoppla, hoppla! Du wirst glauben, keiner liebt Dich so wie ich! Aber treu sein, Liebling, treu sein, ist ein Ding für sich! Heut verschenk ich meinen Mund für die Nacht! Süße Stunden bis der Morgen erwacht! Keine Schwüre, keine Treue, nur der kurze Augenblick. Hoppla, hoppla! Das ist Leben, eine Nacht voll Glück! Text des Lieds der 5 Parodisters im Film von 1937 und im Film von 2018. Widerspiegeln meint: Realität (so gut es geht) abbilden oder auch ihr den Spiegel vorhalten.Wiederspiegeln besagt: Wiederholen, Reproduzieren, Nachahmen, Nichts-zu-Sagen- Haben. Ähhh. https://videomapster.com/programs/swr/spjplj/mackie-messer-auf- dem-weg-ins-kino-hinter-den-kulissen-des- dreigroschenfilms?list=similar (Original-Ausschnitt: Bettina Buchler, Direktorin der FBW) »Es ist ein Film, der eine Form wählt, die der Theatermann Brecht – ähm – für seine Stücke erfunden hat, die epische Erzählkunst und – äh – , indem der Film tatsächlich – äh – diese Form so genial auf den Film transferieren kann, ist – äh – hier eine – äh – eine Hommage an Brecht gelungen, die – äh – die Jury überzeugt hat, dass sie dann das Prädikat >Besonders wertvoll< verliehen hat.« Dieser SWR-Film (»Mackie Messer auf dem Weg ins Kino«) war ab 28. Mai 2021 (letzter Zugriff: 17:52) unter den zwei Links, die ihn bisher zugänglich gemacht hatten, nicht mehr zu finden. Es geht also weiter – und die bundesdeutschen Beauftragten gegen Antisemitismus ignorieren weiter- hin oder schon wieder? Olympia: Die Nazi-Spiele als schamlose Werbung FAZ: Aktuelle Nachrichten aus Politik, Wirtschaft, Sport und Kultur Herausgegeben von Gerald Braunberger, Jürgen Kaube, Carsten Knop, Berthold Kohler Ein Kommentar von Christoph Becker -Aktualisiert am 20.07.2021-15:17 https://www.youtube.com/watch?v=GrSmjMWCQkU Das IOC feiert sich in Tokio in einem Werbefilm mit Riefenstahl-Bildern und einer Holocaust-Überlebenden, deren Familienschicksal mit keiner Silbe erwähnt wird. Es ist ein entgrenzender Tabubruch. Die Vollversammlung des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) lief seit eineinviertel Stunden, Generaldirektor Christophe de Kepper hatte seine Rede gerade mit der beschwörenden Formel von Einigkeit in Vielfalt und gemeinsamer Stärke beendet, als es Zeit für ein Werbefilmchen wurde. Die Mitglieder bekamen zu sehen, was seit der vergangenen Woche in den sozialen Netzwerken zu finden ist. Das IOC wirbt mit dem Gesicht der im Januar 100 Jahre alt gewordenen Ungarin Ágnes Keleti, der ältes- ten lebenden Olympia-siegerin. (Die Jugend der Welt, Berlin 1936) „100 Jahre, ein Leben. Eine Olympionikin. Was hat Ágnes in ihrem Jahrhundert gesehen?“, beginnt der 69 Sekunden lange Clip. „Ein Licht, das die ganze Welt er - leuchtet hat“, geht es weiter. Dann Bilder von Jesse Owens bei Adolf Hitlers Spielen 1936. Text: „Sie sah den Enkel von Sklaven Freiheit neu definieren.“ Das ist das Geschichtsbild des Internationalen Olympischen Komitees: Owens hat die Freiheit unter den Nationalsozialisten neu definiert. Abstoßende Schlaglichter Es ist das dritte Mal seit Juli 2020, dass das IOC unter seinem deutschen Präsidenten Thomas Bach in schamloser Art und Weise mit den Nazi- Spielen Werbung macht. Ein erster Clip aus dem Juli 2020 wurde noch gelöscht. Ein Vermarktungsfilmchen mit Riefenstahls Propagandabildern unter dem Motto Freundschaft vom 29. Januar 2021 dann schon nicht mehr. Und nun wird das eigene Geschichtsbild zur Selbstvergewisserung der eigenen Klientel und Millionen Followern in aller Welt vorgeführt. Geradezu entgrenzend schamlos wird der Tabubruch vor dem Hintergrund der Lebensgeschichte von Ágnes Keleti: Nachdem die Turnerin schon ihre Nominierung für die letztlich wegen des Zweiten Weltkriegs abgesagten Spiele in Tokio 1940 aufgrund ihres jüdischen Glaubens verlor, ermordeten die Gastgeber der Spiele von 1936 ihren Vater und mehrere Onkel von Ágnes Keleti 1944 in Auschwitz. Sie überlebte den Holocaust, weil sie eine andere Identität annahm. Sie lebte jahrzehntelang außerhalb Ungarns, weil sie den Antisemitismus in ihrer Heimat nicht ertrug. Das alles erwähnt das IOC mit kei - nem Wort. Berlin 1936, der Nigger hat gewonnen! Stattdessen wirbt die Organisation mit Ágnes Keleti und Bildern seiner eigenen Anbiederung an die mörderischsten Gastgeber, denen es bislang die Olympischen Spiele anvertraut hat. Mit der Veranstaltung bei den Gastgebern, die alsbald die Welt mit ihrem Krieg überzogen. Deren Mörder und Henker das Leben von Millionen auf dem Gewissen haben, unter ihnen einige von Keletis engsten Verwandten. Wer auch immer beim IOC diesen Film, in den auch Bilder aus Riefenstahls Propagandafilm „Fest der Schönheit“ zwischengeschnitten sind, abgenommen hat, tat es in dem Wissen, dass die Spiele in einem halben Jahr in die nächste Diktatur ziehen, nach China. Auf dem Weg dorthin sendet das IOC abstoßende Schlaglichter auf das eigene Weltbild. . dpa Stuttgart, 23.07.2021: Der AfD-Kandidat Bert Matthias Gärtner war am Mittwoch im Landtag im dritten Wahlgang zum stellvertretenden Mitglied des Verfassungsgerichts ohne Befähigung zum Richteramt gewählt worden. Gärtner erhielt 37 Ja-Stimmen, 77 Abgeordnete enthielten sich, 32 stimmten mit Nein. Die AfD-Fraktion besteht allerdings nur aus 17 Abgeordneten - Gärtner ist also durch zahlreiche Enthaltungen und auch Ja-Stimmen anderer Parteien ins Amt gewählt worden. Anfang Juli war er in zwei Wahlgängen noch klar durchgefallen. Der parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Uli Sckerl, hatte am Donnerstag gesagt: »Es gab aus unseren Reihen ausschließlich Nein-Stimmen und Enthaltungen.« Zugleich recht- fertigte er aber indirekt die Stimmen aus anderen Fraktionen für Gärtner. Hätte die Mehrheit der Abgeordneten Gärtner abgelehnt, hätte die AfD-Fraktion in jeder Sitzung einen neuen Kandidaten nominieren und das Parlament in Wahlgänge zwingen können, so Sckerl. »Eine Nominierungs-Dauerschleife wäre die Folge gewesen - und diese hätte jedes Mal aufs Neue der AfD-Fraktion eine Plattform geboten und Ressourcen gebunden.« Sie heben die Hände hoch Sie zeigen sie her. Die Hände sind blutbefleckt Doch immer noch leer. Der Schlächter ruft: Die Augen fest geschlossen Das Kalb marschiert. In ruhig festem Tritt. Die Kälber, deren Blut im Schlachthaus schon geflossen. Marschiern im Geist in seinen Reihen mit. (Alle Auschnitte aus: »Olympia, 1. Teil – Fest der Völker« von Leni Riefenstahl; Premiere 20. April 1938) Vorschau 2022 (in allen Kinos des Reichs) Nur die Welt als Heimat – Das globale Dorf Der erste bayerische Global-Farb-Lust-Film in tradionellem Eastmancolor Neue Perspektiven auf ein zeitloses Meisterwerk: Wenn ein Bühnenklassiker auf bayerische Filmlandschaft trifft, verspricht das ein großartiges Kinoereignis zu werden. Und genau das ist »Die Heimat als Welt. Die Welt ist doch nur ein Dorf«, der Eröffnungsfilm des FILMFESTs MÜNCHEN 2022, gezeigt im Rahmen der feierlichen Gala am 24. Juni 2022 als Weltpremiere. Auf dem grünen Teppich und vor dicken Bäumen, die als Leinwand umgebaut sind, werden neben M. S., der schon immer gerne Führer sein wollte, Protagonist*innen erwartet, deren Namen noch niemand kennt. Die Gala steht unter dem Motto: »Geld schießt nicht nur Tore, Geld zieht auch Kultur an [oder auch aus].« Die Festivalleiterin Diana Iljine frohlockt: »Der kennt sich aus. […] Der hat auf die Vorschläge, die wir gemacht haben, noch eines draufgesetzt.« Gefragt nach seinen Kinolieblingen: Heimatfilme mit Land oder auch gern ohne; stinkt nicht so. Grün-Braun: die neue Farbe?? Update vom 23. Juli, 12.40 Uhr: Nach der Kür eines AfD-Kandidaten zum baden-württembergischen Verfassungsrichter wächst die Empörung über die Rolle der Grünen: Die Fraktion hatten sich offenbar teils enthalten und das mit einer »Dauerschleife« aus neuen AfD-Nominierungen begründet. Nach der Grünen Jugend haben sich nun auch bekannte Politiker von SPD und Linke entsetzt gezeigt. Auch prominente Grüne übten Kritik - Mitglied der scharf gerügten Fraktion ist auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann. / Hätte die AfD in jeder Sitzung eine*n neue*n Kandidat*in nominieren & das Parlament in Wahlgänge zwin - gen können. Die Folge: eine Nominierungs-Dauerschleife. Tolle Plattform für die AfD…
BRECHTLEBTAKTUELL 24. August 2021
AKTUELL Mit „Schalömchen“ gegen Antisemitismus
AKTUELL Kosmischer Wohlklang