„Die Schöße sind fruchtbar noch / Aus dem das kroch.“ (Bertolt Brecht, 1955)
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Hat Deutschland ein Antisemitismus - Problem? Eine kritische Betrachtung der „documenta fifteen“ in Kassel. Von P.Salomon
BRECHTLEBTAKTUELL  10.Juli 2022
Eigentlich hatten die Politiker, die zur Eröffnung, am 18. Juni 2022, der "documenta fifteen" in Kassel zahlreich erschienen waren, mit dem Thema "Antisemitismus" abgeschlossen, da vorher schon ein jahrelanger Streit innerhalb der „documenta fifteen“ stattgefunden hatte. Bei blauem Himmel und Sonnenschein wurde die weltweit bedeutendste Reihe von Ausstellungen für zeitgenössische Kunst nun endlich eröffnet, und es wollte oder konnte zu diesem Zeitpunkt keiner die weitere Entwicklung voraussehen. Der Kasseler Oberbürgermeister, Christian Geselle , auch Aufsichtsratsvorsitzender der documenta GmbH , wies in seiner Eröffnungsrede, alle Antisemitismus-Vorwürfe, die vorher erhoben wurden, „strikt zurück“. Das Kasseler „Bündnis   gegen   Antisemitismus“ hatte dem Künstlerkollektiv „ruangrupa“ und dem Kuratorium vorgeworfen, dass auf der kommenden „documenta fifteen“ auch Organisationen eingebunden seien, die den kulturellen Boykott Israels (BDS) unterstützten und somit auch antisemit - isch seien. Geselle betonte aber, dass das „Künstlerkollektiv „ruangrupa“ sich deutlich gegen Antisemitismus, Rassismus, Rechtsextremismus, gewalt - bereiten religiösen Fundamentalismus, sowie jede Art von Diskriminierung positioniert hatte." „Eine Überprüfung oder gar einen Eingriff “, so Geselle, „in die künstlerische Freiheit dürfe es daher nicht geben; wenn überhaupt nur bei Überschreitung der bekannten roten Linien“. Auch mahnte der Oberbürgermeister, „genau hinzusehen und nicht vorschnell zu verurteilen“. Es würden Fragen disku - tiert, die überhaupt nicht zur Debatte stünden, sondern „medial aufoktroyiert worden seien“.
Noch scheint die Sonne über Kassel.
OB Christian Geselle
Und so schien die Sonne immer noch strahlend über die anwesenden Gäste. Alle waren zufrieden und erwarteten nun die Rede des Bundespräsidenten, der auch gleich ans Pult eilte und mit seiner steinmeierisch - ernsten Miene loslegte: „Ich will offen sein: Ich war mir in den vergangenen Wochen nicht sicher, ob ich heute hier bei Ihnen sein würde.“ Das hatte gesessen. Und schon schiebt sich eine Wolke vor die Sonne. Raunen im Publikum. Es war die Flucht nach vorne. Als altgedienter Diplomat weiß er, wie man geschickt mit solchen Argumenten in schwierigen Situationen lavieren muss. Und dann ein Patzer, der nicht in sein Image passt: Er landet ausgerechnet beim früheren Documenta - Star Joseph Beuys , der ja sagen würde, „Alles sei Kunst“ . Und auch wenn Steinmeier klarmacht, dass die Kunstfreiheit seiner Meinung nach sehr wohl Grenzen hat. Allein die bloße Nennung dieses Künstlers, in diesem Zusammenhang, lässt aber aufmerken. Warum das so ist? Beuys ist längst kein Synonym mehr für einen besonders freiheitsliebenden, weltoffenen und integren Künstler. Vielmehr steht er für eine rechte Schlagseite der Kunst. Schließlich   war   er   ein   Mann,   der   sich   mit   etlichen   Altnazis umgab , sie als seine Entourage auch mit zur Documenta brachte. Dem ehemaligen Nazifunktionär Werner Georg Haverbeck seine Witwe ist die verurteilte Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck verschaffte er sogar einen eigenen Redeauftritt auf der Documenta 1977, der Mann sprach da ausgerechnet nicht von „Zeitenwende“ (Olaf Scholz 2022) sondern von der "Neuorientierung der Entwicklung unserer Zivilisation". Da zeigte sich die inhaltliche Gedankenlosigkeit Steinmeiers, die dann wieder in den normalen "Ja- aber-Ja-Trott" vom Bekenntnis zu Israel und so weiter, und so weiter, verfiel. Die neue Kulturstaatsministerin Claudia Roth , die keine "Kulturpolizistin" und auch keine Kulturstaatsministerin werden wollte, verfiel dann auch, wie ihre Vorredneri:nnen, in das offizielle Format, Antisemitismus zu verurteilen, aber nichts Konkretes dazu zu sagen. Angela Dorn, Grüne, Hessische Kultur- und Kunstministerin , blies ins gleiche Horn und forderte indirekt damit ein Ende(?) der Antisemitismus - Debatte: „Wir sollten die öffentliche Debatte über Kunst wieder aufnehmen, wenn wir über tatsächliche Kunstwerke sprechen können“. Soll heißen: Wir können diskutieren, aber nicht mit Jedem. Auch wir vom Blog brecht lebt haben mit dieser Politikerin schon unsere Erfahrungen gemacht: Sie plappert viel und sagt nichts.
Joseph Beuys
Sonne über Kassel- die Honorationen auf dem Weg zum Rednerpult: (von links nach rechts) Kassels Oberbürgermeister Geselle, Kulturstaatsministerin Roth, Bundespräsident Steinmeier, documenta - Generaldirektorin Schormann
Ein satter Mond über Kassel.
Am Sonntagabend, nach dem „Tatort“, eine Sondersendung zu vorgerückter Stunde: Die Kultursendung "TTT" (Titel-Thesen-"Temperamente) im Ersten, die die meisten Kasseler sowieso nicht mehr mitbekamen, weil sie montagsfrüh hoch müssen, bereitete das ganze Thema schön auf und lies sogar auch kritische Stimmem zu Wort kommen. Und so geht es auf Mitternacht zu: TTT“ plätschert so weiter vor sich hin, zeigt hier und da die gru - seligen Schmierereien des „Künstlerkollektivs Taring Padi“. Nur wenigen Zuschauern fällt dabei am Sonntagabend auf, dass auch antisemitsche Karikaturen über ihre Mattscheibe flimmern, und dass sogar israelische Künstler nicht eingeladen waren. Einem kritischen und aufmerksamem Zuschauer muss dann der Geduldsfaden gerissen sein: Er sendete die zwei entsetzlichen Ausschnitte aus dem Taring Padi - Grusel - Großwerk einfach umgehend an die eine große Tageszeitung, per mail. Und BILD-online“ titelte auch gleich im Netz, und das mit Fotobeweis : "Schon wieder statt nie wieder! Und weiter: "Auf der größten Kunstausstellung des Landes hängen Bilder, als hätte Goebbels sie in Auftrag gegeben. Im Jahr 2022." Rumms das hatte gesessen! Und brachte so den „documenta fifteen“- Skandal ins Rollen. Huuhuu, dabei war doch alles so schön gelaufen, an diesem Bilderbuch - PR Wochenende in Kassel! Schade, schade- das wäre doch eine schöne Eröffnung der "documenta fifteen" gewesen– mit allem Drum und Dran! Na gut, es gab Streitgespräche wie eine Antisemitismusdebatte sein darf und was Kunst darf oder nicht darf. Dass keine israelischen Künstler eingeladen wurden, hat ja keiner ge - wusst, oder? Aber nun auch noch antisemitische Schmierereien auf der „documenta fifteen“, die vorher keiner gesehen haben will, nein, das geht gar nicht!
Katerstimmung in Kassel.
Kritische Stimme in TTT: Dr. Josef Schuster, Präsident des Zentralrat der Juden
Antisemitische Karikaturen auf dem Wandbild des Künstlerkollektivs Taring Padi. BILD-Zeitung: "Auf der größten Kunstausstellung des Landes hän - gen Bilder, als hätte Goebbels sie in Auftrag gegeben. Im Jahr 2022." Bild ganz rechts: Karikatur aus dem „Stürmer“ von 1938
So begann die „The Documenta Horror Picture Show“ am 20.Juni 2022 : Es wurde dementiert, kommentiert, lamentiert, gebrüllt und geschrien. Und überall auf der „documenta fifteen“ tauchten plötzlich betroffene Gesichter auf, als hätte eine russische Rakete auf der Wilhelmshöhe eingeschlagen. Pressekonferenzen wurden in aller Schnelle anberaumt und wieder abgesagt. Unbeteiligte Künstler, die Angst um ihre ausgestellten Kunstwerke hatten, solidarisierten sich schnell mit dem „angepissten“ Kollektiv Ruangrupa aus Indonesien. Das wiederum schaltete gleich das Diskussionsforum auf der documenta   fifteen“-Website ab und verkündete der noch nicht abgereis - ten Presse feierlich, dass sie keine Interviews gäben und stattdessen ein Statement dazu ins Netz gestellt hätten. Und überhaupt, auch wenn sie sich >mündlich< äußerten, und sich an ihren Papieren festhielten, schlecht ablasen, als hätten sie dort einen Anker, der schützte vor was, vor wem? Frau Dorn? Frau Roth? Hier ein Auszug: "Wir    haben    alle    darin    versagt,    in    dem    Werk    die    antisemitischen    Figuren    zu    entdecken", schreibt   das   Künstlerkollektiv   Ruangrupa   in   einem   englischsprachigen   Statement   auf   der   Website der   documenta   fifteen .   "Es   ist   unser   Fehler.   Wir   entschuldigen   uns   für   die   Enttäuschung,   die Schande,   Frustration,   Verrat   und   Schock,   die   wir   bei den Betrachtern verursacht haben." Die      aus      Indonesien      stammenden      Kuratoren      der Weltkunstschau    sagen    in    ihrem    seit    Tagen    erwarteten Statement,   sie   würden   "jetzt   vollkommen   verstehen" , dass   die   Bilder   nahtlos   an   die   schlimmste   Zeit   der   deut - schen   Geschichte   anschlössen,   in   der   Juden   in   einem   bis dahin    unvorstellbaren    Ausmaß    verfolgt    und    ermordet wurden. Was   sie   aber   nicht   wussten   und   auch   Frau   Roth   und   Frau Dorn   und   die   Presse   dazu   nicht   mehr   zu   kennen   schei - nen:   Martin   Luther   war   es,   der   die   Juden-Sau   in   Wort   und   Bild   verbreitete   –   sie   hängt   in   Wittenberg an   der   Stadtkirche   als   dauerndes   Mahnmal   –,   und   es   war   auf   der   DADA-Ausstellung   von   1919 Rudolf   Schlichter,   der   dem   so   in   der   Öffentlichkeit   hoch   geehrten   deutschen   Frontsoldaten   erstmals in   der   Kunst   die   Schweine-Maske   verpasste,   und   dies   nicht   um   die   einfachen   Soldaten   zu   verhöh - nen,   sondern   ihre   Befehlshaber   und   Kriegsverbrecher   hinter   ihrem   Rücken   als   ihre   Schlächter   anzu - prangern.   Noch   heute   heißt   in   einer   Republik,   die   die   Würde   des   Menschen   als   Grundsatt   verbürgen sollte,   der   Damm   nach   Sylt:   „Hindenburgdamm“.   Wer   heute   über   Antisemitismus   wirklich   reden   will, muss     auch     die     deutsche     Vergangenheit     und     die     Verbindung     von     Menschenverachtung, Kriegstreiberei   und   Heimatduselei,   die   eng   an   Blubo   gebunden   ist,   und   die   angebliche   Verwurzelung des   Menschen   in   seiner Abstammung   einbeziehen.   Der   Mensch   ist   kein   Baum,   der   Mensch   hat   keine Wurzeln,   er   ist   das   beweglichste   Wesen   auf   dem   Erdball   und   hat   keinen Anspruch   auf   angestammten Boden = Eigentum, inzwischen auf das Weltall (Tesla) ausgedehnt. Die   Kuratoren   wiesen   aber   immer   wieder   darauf   hin,   dass   die   „Documenta   fifteen“   geöffnet   bleiben soll, und dass die Hoffnung besteht, den begonnenen Dialog fortzusetzen. Der   Dialog   wurde   leider   nicht   fortgesetzt   und   bis   heute   nicht   ernsthaft   begonnen,   und   die   isra - elischen   Künstler   wurden   auch   nicht   eingeladen.   Wen wunderts, dass da nicht der BDS - Boykott ("Boycott, Divestment and Sanctions") gegen Israel auf die Tagesordnung kommt, und dadurch natür - lich ein unausgesprochener Boykott der Documenta - Macher gegen israelische Künstler be - steht. S o verkommt die „documenta fifteen“ mehr und mehr zur „Kassel Horror Picture Show“ . Die BDS-Kampagne ("Boycott, Divestment and Sanctions") ist immer wieder Gegenstand hitziger medialer und politischer Debatten. Die   einen   betrachten   sie   als   ein   harmloses   politisches   Instrument für   eine   gerechtere   Welt,   andere   hingegen   erkennen   in   ihr   eine   antisemitische   Stoßrichtung.   Das   zei - gen auch die neuen Meldungen aus den USA, die das antisemitische Muster bestätigen:
BDS-Gruppe hat ein Netzwerk-Diagramm jüdischer Persönlichkeiten und Institutionen in Boston erstellt. Seit einiger Zeit schlägt ein von BDS-Aktivisten in Boston erstelltes «Mapping Project» Wellen, das weiterhin im Internet zu sehen ist (Link). Darauf präsentiert die Gruppe im Rahmen einer umfassenden Darstellung «imperialistischer und kolonialistischer Strukturen in Massachusetts» auch ein Netzwerk-Diagramm zu «Zionismus, Polizeikontrollen und Imperium». Dies soll «institutionelle Unterstützung für die Kolonisierung von Palästina» in der Region anschaulich machen. Punkte dieses Netzwerkes sind «führende Zionisten». Und dazu werden jüdische Organisationen, Stiftungen, Schulen, Synagogen und Politiker, aber auch Pharma- und andere Unternehmen gezählt. Zahlreiche Verbände wie die lokale «Anti- Defamation League», die «Combined Jewish Philanthropies», das «JCRC of Greater Boston», das «Synagogue Council of Massachusetts», das «Jewish Arts Collaborative» oder die «Jewish Teen Foundation of Greater Boston» werden mit Adressen genannt und damit potenziell Angriffen ausgesetzt. Die Mapping-Gruppe verfolgt das erklärte Ziel, diese «Institutionen abzubauen». Das Projekt hat umgehend heftige Kritik aus der jüdischen Gemeinde provoziert. Politiker quer durch das ideologische Spektrum bis hin zu der als Israel- Kritikerin bekannten Demokratin Ayanna Pressley, haben sich rasch solidarisch mit den betroffenen Persönlichkeiten und Organisationen erklärt und die «Karte» verurteilt. Nun wird auch das FBI aktiv. Ein für Boston zuständiger Ermittler der Bundesbehörde erklärte jüdischen Exponenten am Montag, das FBI befasse sich mit der Mapping-Website und untersuche Hintergründe des Projektes.
USA: FBI beobachtet „Mapping Project“
Neben   vielen   unpolitischen   Beiträgen,   haben   die   documenta   -   Macher   eine   Organisation   als Utopie    präsentiert,    die    eine    der    furchtbarsten    Formen    des    Terrors    mitgeprägt    hat:    Die Japanische   Rote   Armee,   die   eigentlich   das     „suicide   bombing“   in   den   Nahen   Osten   gebracht hat.    Diese    selbst    ernannte    Selbstmordtruppe    hatte    am    30.Mai    1972    ein    fürchterliches Massaker   auf   den   Tel   Aviver   Flughafen   angerichtet.   In   »Solidarität   mit   dem   palästinensischen Volk«   töteten   sie   damals   26   Menschen,   darunter   viele   christliche   Pilger   aus   Puerto   Rico,   und verletzten unzählige weitere. Der Anschlag   war   als   Selbstmordattentat   gedacht:   Die   drei   Japaner   wollten   sich   töten   und   dabei   ihre Gesichter   mithilfe   einer   Granate   unkenntlich   machen,   um   die   Identifizierung   zu   erschweren.   Doch zwei   der   drei Angreifer   wurden   von   Sicherheitskräften   erschossen.   Der   dritte,   Kozo   Okamoto ,   wurde festgenommen   und   zu   lebenslanger   Haft   in   Israel   verurteilt.   Dieser   Terroranschlag   war   nicht   nur   ein besonders   blutiger,   sondern   hatte   auch   andere,   weitreichende   Folgen,   die   schon   vor   zehn   Jahren Michael   Sontheimer   in   der   Zeitschrift   taz   beschrieb:   »Viele   Palästinenser   und Araber   feierten   die   drei Japaner   sofort   als   Helden.   Sie   hätten   ein   loderndes   Zeichen   gegen   das   Unrecht   der   israelischen Besetzung   gesetzt,   ihr   Leben   im   Kampf   für   eine   Sache   gegeben,   die   gar   nicht   unmittelbar   die   ihre war.   Der   libysche   Staatschef   Mummar   al-Gaddafi   warf   den   Palästinensern   vor:   ›Man   sieht   sie   alle Bücher   schreiben   und   Zeitschriften   mit   ihren   Theorien   füllen,   aber   sie   sind   nicht   imstande,   auch   nur eine tollkühne Aktion wie die der Japaner auszuführen.‹ (…) Es    dauerte    allerdings    noch    zwei    Jahre,    bis    Kämpfer    einer   Abspaltung    der    PFLP    in    Israel    ein Massaker    anrichteten,    bei    dem    sie    sich    schließlich    zusammen    mit    ihren    Geiseln    in    die    Luft sprengten.« Fünfzig   Jahre   später   sollen   auf   der   documenta   fifteen   –   die   wegen   des   dort   präsentierten Antisemitismus   nun   weltweit   in   die   Schlagzeilen   geraten   ist   –   auch   einige   Filme   des   Kollektivs Subversive   Film   gezeigt   werden.   Das   Kollektiv   restaurierte   extra   für   das   Event   in   Kassel   ein paar    »Film-Fragmente«,    die    laut    documenta-Programm    »Auskunft    über    die    weitestgehend übersehene    und    nicht    dokumentierte    antiimperialistische    Solidarität    zwischen    Japan    und Palästina geben soll«. Diese   Fragmente   stammen,   wie   es   weiter   heißt,   von:   „Masao   Adachi,   dem   gefeierten   Regisseur experimenteller Agit-Prop-Filme und ehemaligen Mitglied der Japanischen Roten Armee.“ So   sollen   sich   in   Kassel   »die   Beziehungen   zwischen   Tokio,   Palästina   und   der   Welt   in   einem   nomadi - schen   Filmprogramm   um   verschiedene   Fragmente   des   restaurierten   Films   herum«   entfalten,   verkün - den   die   Veranstalter   freudig.   Auch   wenn   sie   aus   dem   Nahen   Osten   stammen   mögen,   sind   die Macher    des    Subversiv-Film-Kollektivs,    wie    so    viele    andere    auf    der    documenta,    liest    man    ihre Biografien,   weit   fester   im   westlichen   Kulturbetrieb   verankert   und   zu   Hause   als   irgendwo   im   »globalen Süden«.   Ihr   Ziel   sei,   schreiben   sie   auf   den   Seiten   der   documenta,   »Konstellationen   von   Solidarität und die Utopie einer weltweiten Befreiungsbewegung zu reaktivieren«. Natürlich   gingen   auch   diese   Filme   bei   den   documenta-Verantwortlichen   durch   und   bekamen   den »Nicht-Antisemitismus«-Stempel    der    beflissenen    Kuratoren,    Journalisten    und    Experten,    die    sich vorab   das   Programm   angesehen   hatten. Aber   nicht   einmal   das   reicht   zum   großen   Skandal:   dass   hier nämlich   nicht   nur   eine   Organisation   als   Utopie   verkauft   wird,   die   Judenmord   praktizierte,   sondern eine,   die   darüber   hinaus   noch   eine   der   furchtbarsten   Formen   des   Terrors   in   der   Region   hoffähig   ge - macht   hat.   Wie   viel   Leid   und   Elend   haben   seitdem   „suicide   bombings“   über   die   Welt   gebracht?   Kein Wort   davon   bei   der   documenta   und   auch   nicht   davon,   dass   –   selbst   im   Jargon   dieser   ganzen Veranstaltung   –   die   überwältigende   Mehrheit   aller   Opfer   aus   dem   »globalen   Süden«   stammen. Unerträglich   dabei   auch   die   Vorstellung,   was   wohl   geschehen   und   wie   viele   Leben   nicht   sinnlos   be - endet   worden   wären,   hätten   diese   Japanerinnen   und   Japaner   ihre   politischen   Kämpfe   irgendwo   an - ders   und   mit   anderen   Mitteln   ausgeführt   und   das   Selbstmordattentat   nicht   in   den   Nahen   Osten exportiert worden wäre. Und   so   würde   es   sich   in   der   Tat   anbieten,   im   Kontext   dieser   documenta   über   den Anschlag   von   Lod im   Jahr   1972,   von   mir   aus   auch   über   das   Geflecht   »Tokio,   Palästina   und   die   Welt«   zu   sprechen   –   al - lerdings   nicht   als   Utopie,   sondern   als   Dystopie   und   schreckliches   Beispiel,   was   geschehen   kann, wenn    im    »globalen    Norden«    sich    irgendwelche    irregeleiteten    Menschen    aufmachen,    gegen    die Unterdrückung im Süden aktiv zu werden.
Der Horror geht weiter: „suicide bombing“ aus Japan
Darf Kunst auch menschenverachtend sein?
TTT: Filmemacher Isaac Nabwana aus Uganda auf der "documenta fifteen": Ist das aktivistische Kunst oder reinste Menschenverachtung?
Natürlich    darf    Kunst    nicht   Alles.    So    hat    zum    Beispiel    die    „documenta    fifteen“    den    Politischen Aktivismus   mehr   in   den   Vordergrund   gebracht. Aber   darf   Kunst   -hinter   dem   Logo   Politik-   menschen - verachtende Szenen, wie die „spaßigen“ Filme von Regisseur Isaac Nabwana, zeigen? Wir   meinen:   Auf   keinen   Fall,   und   dass   ist   auch   der   Vorwurf,   den   wir   den   Verantwortlichen,   angefan - gen   mit   dem   Künstlerkollektiv   „ruangrupa“   und   den   verantwortlichen   Kulturbeamt.innen   wie Frau   Roth   (Kulturstaatsministerin),   Frau   Sabine   Schormann   (Generaldirektion)   Angela   Dorn (Kultur-   und   Kunstministerin   in   Hessen)   und   anderen   direkt   Beteiligten,   machen.   Sie   haben   z.T. viele   Jahre   Zeit   gehabt   zu   recherchieren.   Durch   ihre   Unwissenheit,   Ignoranz   und   ihre   schlampige Arbeit,   haben   sie   der   „documenta   fifteen“   in   Kassel   schwersten   Schaden   zugefügt.   Dieser   Skandal, dieser   Horror,   ist   leider   noch   nicht   beendet:   Er   zeigt   auch   deutlich,   dass   Deutschland   ein Antisemitismusproblem   hat.   Auch   die   rund   40   Antisemitismus   -   Beauftragten   in   Deutschland werden   dieses   Problem   so   schnell   nicht   lösen   können,   im   Gegenteil:   Unsere   Erfahrungen   mit   meh - reren   Antisemitismus   -   Beauftragten   zeigen,   dass   sie   ihre   Ämter   nur   verwalten   aber   zu   einem offenen Dialog mit uns und der Gesellschaft nicht in der Lage sind.
Nach der scholz‘schen „Zeitenwende“ scheinen die Uhren in manchen Redaktionen rückwärts zu gehen. Wie kommt z.B. die stellvetretende Sprecherin des P.E.N. Berlin, Eva Menasse, Schriftstellerin aus Österreich, im SPIEGEL 27 ein Pamphlet zu verfassen, in dem sie in der Antisemitismus-Debatte offen hin und her relativiert, dass einem schon fast schwindelig wird. In einem Offenen Brief (März 2022) forderte Sie auch die Aufrüstung der Ukraine mit schwe - ren Waffen. Im Rausch des Bildersturms- Was ist gefährlicher? Alte antisemitische Karikaturen aus Indonesien? Oder Antisemiten, die mit Maschinenpistolen in Synagogen eindringen? Diese Überschrift lässt schon Schlimmes erahnen und ist schon selten dumm und auch ziem - lich infam: Denn die Frage, was gefährlicher ist als antisemitische Karikaturen oder Antisemiten mit Maschinenpistolen, beantwortet sich nicht selbst, weil die antisemitischen Karikaturen eben das Vorspiel zur Nazi - Maschinenpistolen - Gewalt sind. Gerade Brecht hat mit den antisemitischen Karikaturen den fruchtbaren Schoß gemeint, "aus dem das kroch". Abgebrüht ist die österreichische Schriftstellerin, wenn sie danach gleich den Opernregisseur Barry Kosky mit den Worten zitiert: »Glauben Sie mir, jeder Jude hat Angst vor brüllen - den Deutschen« . Was will sie dem uninformierten Leser damit wohl unterjubeln? Vielleicht das alte Klische` des hinterlistigen, feigen Juden aus dem "Ewigen Juden" oder die Angst vor der nächsten Verfolgung? Liebe Frau Menasse, so läuft das nicht: Nach dem wir Juden den Holocaust überlebt haben, haben wir vor fast nichts mehr Angst. Angst macht nur die tumbe Brüller- und Keiferei von dummen Menschen aller Art und aller Herkunft. Und diese Tumbheit habe ich nun von ihnen nicht erwartet. Aber- "what the fuck" hat sie dazu gebracht, Texte wie "Das Bild war so groß und die Männchen so klein, dass es Tage dauerte, bis man sie entdeckte?“ Sie müssten doch auch wissen, das kleine Bilder große Wirkung haben können oder Kriege immer groß enden? Oder was soll uns die Passage " Und schwer unbehaglich ist mir angesichts des diskursiven Reinigungsfurors eines publizistischen Bataillons aus Anti-Antisemiten, die offenbar glauben, dass sie dieses Land bald, vielleicht schon übermorgen, antisemitenfrei kriegen." sagen? Meine Güte, aus ihrer Sprache spricht der blanke Hohn. Und ihre Argumentation "Auf Stalins Konto gehen wahrscheinlich noch mehr Tote" erinnert mich an die 70er Jahre NPD - Rhetorik, der unverbesserlichen weißen, alten Nazis. Übrigens, mich interessieren auch nicht ihre 1000 deutschen Intellektuellen beim BDS, denn auch deutsche Intellektuelle können total doof sein oder sich auch irren. Sie sind nicht unbedingt der Beweis für die Israel- und Judenfreundlichkeit einer Vereinigung für die Befreiung Palästinas. Am Schluss ihres Artikels versteigen sie sich in Mutmaßungen, auf die ich nicht eingehen will, weil sie einfach nicht stimmen und nur ihrer verkorksten Weltsicht den richtigen Schwung geben sollen. P. Salomon Bücher von Eva Menasse: Buchveröffentlichungen: "Die letzte Märchenprinzessin (1997, "Der Holocaust vor Gericht" (20) , "Lieber aufgeregt als abgeklärt" (2015)
Übersetzung: BDS Boston ist weiterhin der Meinung, dass das Mapping Project eine wich - tige Informationsquelle und ein nützliches Organisationsinstrument ist. Das Mapping Projekt ist ein eigenes Kollektiv, das unabhängig von BDS Boston arbeitet und unter der Emailadresse auf der Webseite kontaktiert werden kann. Die Leute sollten weiterhin BDS Boston kontaktieren, wenn sie über die Organisation im Großraum Boston für die palästinensische Befreiung informiert werden wollen, wenn sie un - sere Kampagne #DropPuma unterstützen wollen, oder wenn sie daran interessiert sind, Mitglied zu werden!
Sollen wir das Riesenposter nun zu - hängen oder nicht zuhängen? Nach dem der schnell zusammengestellte Krisenstab (Roth, Schormann und Dorn) sich endlich nur auf Verhängen der antisemitischen Figuren geeinigt haben, erheben die Bühnenarbeiter und Künstler Einwände, dass das so nicht möglich ist, da sonst das „Bild“ beschädigt werden könnte. Also alles wieder zurück auf Anfang und neue Besprechung. Ja, so sind sie halt- die Kulturbeamten, etwas mehr Praxis wäre ganz gut. Claudia Roth, dämmert es sie muss die ganzen Strukturen im Kulturbereich ändern. Statt nur Beamte sollen in Zukunft auch Künstler an der Planung bei solchen Events beteiligt sein. Eigentlich fühlt sie sich gegen Rücktrittsforderungen immun, weil sie noch nicht lange in der Regierung ist. Also- neue Entscheidung: Das große Bild zur Hälfte zuhängen, oder? Einen ganzen Tag ist das Bild zur Hälfte schwarz verhängt und alle, die davorstehen, sagen „Das sieht aber Scheiße aus“. Der Krisenstab ist mit den Nerven am Ende, die Medien überschla - gen sich mit Rücktrittsforderungen und über Nacht bauen die Bühnenarbeiter endlich das ganze Bild ab. Übrig bleibt ein Skelett, mitten in der Landschaft. Der Albtraum eines jeden Kulturpolitikers ist nun Realität. Und kaum liegt das Bild wieder in ir - gendeinem Schuppen, mehren sich die Stimmen, dass es wieder aufgehängt werden sollte. Jetzt be - ginnt eine typisch deutsche Debatte über das Ertragen von antisemitischen Symbolen. Abgesehen von den jüdischen Mitbürgern, die man erst gar nicht dazu befragt hat, dient der Kulturjournaille die „Judensau“ als gutes Vorbild. Den Anblick eines solchen schlechten Bildes, könnte eine Demokratie doch wohl ertragen? Nein, das furchtbare Werk wurde nicht wieder aufgehängt, die Politiker sind noch nicht zurückgetre - ten und der Bundeskanzler war immer noch nicht da. Eine besondere Berühmtheit ist die Künstlerin, Hito Steyerl, die als erste das Handtuch wirft. Hito Steyerl gehört zu den berühm - testen deutschen Künstler:innen der Welt. Viele hat es genau deshalb überrascht, dass sie auch auf der aktuellen Documenta vertreten ist. Denn eigentlich sollte diese Schau eine ohne Stars sein. In verschiedenen Interviews macht sie nun den Veranstaltern schwerwiegende Vorwürfe: So hätte sie kein Vertrauen mehr "in die Fähigkeit der Organisation, Komplexität zu vermitteln und zu erklären.“ Sie schickte inzwischen eine entsprechende Mail ans Documenta- Team – und damit auch an die Generaldirektorin Sabine Schormann. Auch Meron Mendel, Leiter der Bildungsstätte   Anne   Frank , hat sein Engagement für die documenta fifteen in Kassel als externer Experte aufgekündigt. Es gibt auf der documenta jede Menge Gutes, aber bei der Auseinandersetzung mit dem aktuellen Antisemitismus-Skandal vermisse ich den ernsthaften Willen, die Vorgänge aufzuarbeiten und in einen ehrlichen Dialog zu treten, sagte er im Gespräch mit dem Spiegel. Daher habe er der docu - menta-Leitung Anfang der Woche mitgeteilt, dass er als Berater nicht mehr zur Verfügung stehe. Die Organisatoren der documenta hatten als Konsequenz auf den Skandal angekündigt, alle weite - ren Werke mithilfe externer Experten, darunter auch Mendel, auf antisemitische Inhalte zu prüfen. Mendel hatte gehofft, es sollte darum gehen, die Kunstwerke zu begutachten und mit Ruangrupa in den Dialog zu treten. Auch hier fand wieder kein Dialog statt, weil u.A. ein Mitglied der Gruppe "nicht mit dem Juden Mendel reden wollte." Auch wurde die Idee zur Gründung eines hochkarätig besetz - ten Beirats aus Antisemitismus-Experten abgelehnt. Mendel vermutet, dass hier auf Zeit gespielt wer - den sollte, bis die documenta fifteen vorüber sei. Inzwischen hat sich auch der Bundestag und dessen Kulturausschuss mit dem Fall befasst. Geschäftsführerin Schormann, deren Rücktritt zunehmend gefordert wird, und der ebenfalls in der Kritik stehende Kasseler Oberbürgermeister Christian Geselle, ließen sich krankheits- und termin - bedingt beim Kulturausschuss entschuldigen. Mit den ersten Rücktritten ist klar: Der Skandal ist noch lange nicht vorbei.
Sabine Schormann, Generaldirektorin documenta gGmbh, vor und nach dem Skandal: Völlig überfordertes und ignorantes Handeln der Verantwortlichem im Kuratorium
Der Elefant im Raum heißt BDS
„suicide bombing“: Kozo Okamoto wurde zum Held durch Bombenanschlag auf dem Tel Aviver Flughafen und zu lebenslanger Haft verurteilt.
Aus: RUHRBARONE
Zuhängen oder nicht zuhängen, das ist hier die Frage.
ZDF-heute-Journal am 22.06.22: Der Skandal ist öffentlich und keiner will es gewesen sein …
DADA-Ausstellung   von   1919:   Schweinemaske   für   den   deut - schen Soldaten.
Die ersten Rücktritte- aber nicht von Politikern!
Hito Steyerl, deutsche Künstlerin
K O M M E N T A R
"what the fuck" hat sie dazu gebracht …
Sascha Lobo, spiegel.de, 22.06.2022: "Zur Aufarbeitung des Judenhassdebakels muss gehören, diese Fehler einzugestehen und daraus zu lernen: Wer Antisemiten einlädt, erntet eine »Kunstmesse der Schande« (»Bild«-Zeitung), eben die antisemita fifteen. Entweder die be- treffenden Antisemitismusakzeptierenden lernen daraus, öf- fentlich und nachvollziehbar. Oder sie können sich ihr lieb gemeintes »Nie wieder«-Gedenken beim nächsten Mal in die BDS-Haare schmieren."
Meron Mendel, Leiter der Bildungsstätte Anne Frank
Und die Verantwortlichen drücken sich!
Wir hätten da noch ein paar Fragen zum Thema Antisemitismus, die immer noch nicht  beantwortet wurden!