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BRECHTLEBTAKTUELL  07.Juni 2022
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hält einen radikalen Pazifismus angesichts des russischen Angriffs auf die Ukraine für nicht mehr zeitgemäß. »Ich respektiere jeden Pazifismus, ich respektiere jede Haltung, aber es muss einem Bürger der Ukraine zynisch vorkommen, wenn ihm gesagt wird, er solle sich gegen die Putinsche Aggression ohne Waffen verteidigen«, sagte Scholz am Sonntag bei einer DGB-Kundgebung zum Tag der Arbeit in Düsseldorf. «Das ist aus der Zeit gefallen!», sagte Scholz. »Ich sage ganz klar: Wir werden nicht zulassen, dass hier mit Gewalt Grenzen verschoben und ein Territorium erobert wird. «
Wie RADIKAL kann denn Pazifismus wohl sein?
Dr. Christian Mölling (51): Forschungsdirektor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) und Leiter des Programms »Sicherheit, Verteidigung, Rüstung« ZDF, heute journal, am 11. April 2022, etwa 21:54 Uhr; von keiner Instiution beanstandet! Nicht widerufen! ZDF ignoriert!
»Wir kommen in die Situation, dass beide Seiten äähh quasi in einen Abnutzungskrieg eintreten; das heißt, es hängt sehr davon ab, wie viel Menschenmaterial beide Seiten nachführen können. In dem Kontext ist auch die Forderung, die vehemente Forderung der Ukraine, mehr Material und besseres Material aus dem Westen zu be- kommen, zu verstehen, denn es geht darum, diesen Angriff abzuwehren.« (Unterstreichungen von JK. Kleine Frage dazu: Wer verdient denn eigentlich am >Material<, und wer liefert das >Kanonenfutter< dazu????)
„Menschenmaterial nachführen!“
Debatte über Wehr- und Dienstpflicht Schluss mit freiwillig?
Der Krieg in der Ukraine hat eine neue Debatte über eine Reaktivierung der Wehrpflicht losge- treten. Auch die CDU-Forderung nach einer allgemeinen Dienstpflicht ist wieder auf dem Tisch. Doch hat dies Zukunft? Die Wehrpflicht ist seit über zehn Jahren ausgesetzt und dennoch wird die Debatte um eine Wiedereinführung regelmäßig geführt. Diesmal kombiniert CDU-Vize Carsten Linnemann die Wehrpflicht mit einer sogenannten allgemeinen Dienstpflicht. »Ich setze mich seit Jahren für ein Gesellschaftsjahr ein. Für Schulabgänger, junge Frauen, junge Männer. Ein Jahr für die Bundeswehr, aber auch für soziale Dienste, Hilfsorganisationen.« Den Vorschlag hat die frühere CDU-Vorsitzende und Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer 2018 eingebracht, aber sie konnte ihn nicht durchsetzen. Jetzt treten neben Partei-Vize Linnemann auch einzelne CDU-Landesverbände dafür ein. Nach der Zeitenwende werden die >Gesellschaftsjahre< endlich wieder christlich abgesegnet. Christian Mölling (s.o.), tagesthemen am 6. Mai 2022, weiß jetzt schon, wie die aussehen werden: die Gesellschaftsjahre. Endlich können wir dann auch wieder die deutschen Mädels an die Front werfen. Ein ganz klassischer Fall, fast archaisch.
Die Gleichstellung von Frauen und Männern ist eine der zentralen Herausforderungen, um das Leben in unserem Land zukunftsfähig und gerecht zu gestalten. Dafür müssen Frauen und Männer auf dem gesamten Lebensweg die gleichen Chancen erhalten – persönlich, beruflich und familiär. Betr.: Neuausrichtung der CDU: Dem Vorsitzenden Merz würde der weibliche Blick auf die großen Themen gut tun. Das wurde neulich in der Generaldebatte des Bundestages deutlich, als er die feministische Außenpolitik ansprach und mit abwertenden Handbewegungen deutlich machte, was er davon hält: nichts. Ganz offensichtlich weiß er damit nichts anzufangen, nämlich dass es um einen ganzheitlichen Ansatz geht, der alle Menschen mitdenkt, und eben auch Frauen. (https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/frauen-cdu-103.html)
»Man stellt hier einfach sicher, dass es einen kontinuierlichen Strom ähh von Material gibt und dass der nicht abreißt, denn wenn der abreißen würde, würde die Ukraine in der militärischen Auseinandersetzung wieder ins Hintertreffen geraten. Entscheidend ist, wie viel mm-militärisches Material (kleine Pause) und Menschen beide Seiten an die Front werfen können. Das ist ganz klassisch, fast archaisch, was man da sieht. Das ist gewissermaßen eine Materialschlacht.« (6.5.2022, ARD)
Um keine einzige Volksgenossin beim Dienst fürs Vaterland zu verlieren, führen die Nationalsozialisten am 15. Februar 1938 das sogenannte Pflichtjahr für Mädchen und unverheiratete Frauen unter 25 Jahren ein. Zwölf Monate lang müssen sie für ein sym- bolisches Gehalt in einem landwirtschaftlichen Betrieb oder in einer kinderreichen Familie Dienst tun. Rund 300.000 »Pflichtjahrsmädel« sind jedes Jahr davon betroffen. Sie arbeite, sagt eine Betroffene in einer Rundfunkreportage vom Herbst 1942 ins Mikrofon, »um durch meinen Einsatz einen Soldaten für die Front freizumachen«. Mit der Zeitenwende ist das vorbei. Jetzt werfen wir alle Menschen gleichberechtigt an die Front. Wir sind doch nicht aus der Zeit gefallen!
„Die Schöße sind fruchtbar noch / Aus dem das kroch.“ (Bertolt Brecht, 1955)
(Bertolt Brecht: „An die Nachgeborenen“, Aufnahme 1939)
„Wirklich, ich lebe in finsteren Zeiten.“
„Nur die Toten haben das Ende des Krieges gesehen“ (Plato)
„Der junge Mensch kräftigt im Arbeitsdienst und im Heeresdienst seine Gesundheit wie in einem Stahlbad.“
(Hermann Wiehle / Marie Harm: Lebenskunde für Mittelschulen – Klasse 5 für Mädchen. Schroedel 1942)
„Ich bin froh, dass wir bombardiert worden sind. Jetzt können wir den Leuten im East End (Londoner Arbeitsviertel) in die Augen sehen.“ (Queen Elisabeth 1940)
„Hier sehe ich den Krieg, nackt und brutal, ein Stahlbad hat ihn Wilhelm II. genannt, die deutschen Professoren sagen von ihm, er wecke die moralischen und sittlichen Kräfte des Volkes, bitte, meine Herren, überzeugen Sie sich.“ (Ernst Toller, 1920; Foto oben: Asow-Stahlwerk Mariupol nach der Eroberung 2022)
Joachim Gauck, zum 4. August 1914, 100 Jahre 1. Weltkrieg: „Das eklatante Versagen der Diplomatie, […], die Sehnsucht nach einer vermeintlich kräftigenden Reinigung einer zivili- sationsmüden Epoche im Stahlbad des Krieges, die irrige Vorstellung eines kurzen Waffengangs zur Klärung internationaler Streitfragen und schließlich eine maßlose Propaganda […]: All das stürzte Europa in einen Bruderkrieg, der schließlich auch weite Teile der Welt mit in Brand setzte.“ Joachim Gauck am 14. März 2022, zdf heute: „Ich saß dort im Bundestag und höre plötzlich, wie der Bundeskanzler Dinge verspricht und als Politik ins Werk setzt, wo ich dachte: ich träume. In diesem Moment wurde für die deut- sche ausübende Politik tatsächlich eine Zeitenwende sichtbar. / Endlich wurde wieder begriffen, dass man, selbst wenn man Feindbilder scheut und ein Mensch des Friedens ist, nie so naiv sein darf, Feindschaft nicht als Feindschaft zu erkennen. Und diese Erkenntnis in geballter Form in einer Regierungserklärung zu hören, an einem küh- len Sonntag im Winter 2022, das war für mich eine ganz besondere Situation. So was erlebt man nicht oft im Leben.“
"Ohne Krieg wird in der ganzen Welt kein Frieden geschlossen."
(Johann Peter Hebel)
Johann Peter Hebel zum Frieden von Tilsit, Juli 1807: „Nicht weniger als 60.000 Mann von der russischen Armee giengen nach den französischen Berichten, innerhalb 10 Tagen verloren. Diese Schlacht war ohne Zweifel die fürchterlichste im gan- zen Krieg, aber auch die wohlthätigste. Denn bald nach ihr wurden durch einen Waffenstillstand alle Feindseligkeiten eingestellt. Und jezt sah man ganz andere Dinge als vorher. Die drey kriegführenden Monarchen zogen jezt aus dem Feld friedlich zusammen in die Stadt Tilsit, und lebten mit einander als die besten Freunde, speisten bey einander zu Mittag, und ritten mit einander spazieren. Der Kaiser von Frankreich und der Kaiser von Rußland, vor wenigen Tagen noch Feind gegen Feind, wohnten jezt als gute Nachbarn nicht weit von einander in Einer Gasse.“
„Jezt ist am ganzen vorigen Artikel, daß ein so erschreckli- cher Krieg in der Welt sey, kein Wort mehr wahr.“ (Johann Peter Hebel)
„Der Krieg ist in wachsen- dem Umfang kein Kampf mehr, sondern ein Ausrotten durch Technik.“ (Karl Jaspers 1955)
„Die Schriftsteller können nicht so schnell schreiben, wie die Regierungen Kriege machen; denn das Schreiben verlangt Denkarbeit.“ (Bertolt Brecht 1955)
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