»Es ist ein Film, der eine Form wählt, die der Theatermann Brecht – ähm – für seine Stücke erfunden hat, die epische Erzählkunst und – äh – , indem der Film tatsächlich äh – diese Form so genial auf den Film transferieren kann, ist – äh – hier eine – äh – eine Hommage an Brecht gelungen, die – äh – die Jury überzeugt hat, dass sie dann das Prädikat >Besonders wertvoll< verliehen hat.«
(10) Nochmals der MM-Film: Ästhetisierung der Politik: Die neue Kunst des Anstreichens: Ihre Prämierung mit öffentlichen (völlig unabhängigen) Mitteln: Fernsehen als Kinofilmersatz Knopf, Jan (GEISTSOZ) Bettina Buchler <buchler@fbw-filmbewertung.com>;Kathrin Zeitz <zeitz@fbw- filmbewertung.com>;Ursula Gontermann <Gontermann@fbw-filmbewertung.com>; Gesendete Elemente Sehr geehrte Frau Buchler, sehr geehrte Damen und Herren der FBW und der anonymen Expertinnen-Jury, da meine nochmals angestoßenen Recherchen nicht etwa zu einer von allen er- wünschten Entschärfung meiner Funde mutmaßlich nicht so ganz lupenreiner Verfahrensweisen Ihrer Gesellschaft geführt haben, hake ich nochmals nach und schicke Ihnen den Text eines Memorandums, das ich wieder in die >Runde< geschickt habe, einschließlich des Bundespräsidialamts, das unterrichtet sein muss, wenn Sie den Bundespräsidenten als Schirmherrn von VisionKino davon zu überzeugen wussten, den Film aufgrund seines Prädikats sogar für die all- gemeine und die Schulbildung zu empfehlen. Hier also der Text; das Memorandum ist auch noch als Datei angehängt. KIT-Campus Süd | Hertzstr. 16 – Gebäude 06.35 (Uni-West) 223, 224, 226 | 76187 Karlsruhe Karlsruhe, Sonntag, 18. April 2021 Betr.: »Mackie Messer – Brechts Dreigroschenfilm«, Deutschland, Belgien 2018 / Spielfilm Prädikat der FBW »besonders wertvoll« Ein Spielfilm und seine Verbreitung im öffentlich- rechtlichen Fernsehen am 03.01.2020 arte // am 09.05. 2020 SWR // am 27.02.2021 3sat – je- weils unter Berufung auf das Prädikat der FBW (Wiesbaden) Kinostart: 13.09.2018 1. Es geht nicht darum, dem Film die Freiheit zu bestreiten, wie er mit seinem dokumentarischen Material und seinen historischen Personen umgeht. Es geht darum, dass die FBW diesen Umgang nach Belieben mit dem Prädikat »besonders wertvoll« auszeichnet, und zwar ohne dass die FBW den eigenen Anspruch des Films am Film überprüft und ohne dass die FBW ihre eigenen Bewertungskriterien beachtet hätte. Fakten-Belege liegen vor. 2. Es geht nicht darum, den Filmemachern zu unterstellen, sie denunzierten ihre >historischen Figuren< bewusst oder gar vorsätzlich. Es geht darum, dass dieser Film mit der Darstellung des jüdi- schen Filmproduzenten Seymour Nebenzal und der Ausnahme-Schauspielerin Carola Neher den Tatbestand übler Nachrede erfüllt und dass dieser Film darüber hinaus gegen alle historische Überlieferung »one of the most important producers of the transition period from silent to sound film« als »ignoranten Deppen und profitgeilen Geschäftemacher« (so eine einsame Filmkritik) nach anti- semitischen Mustern in einer Zeit zeichnet, in der die Nazis auf dem Vormarsch sind. Fakten- Belege legt der Film selbst vor. 3. Entgegen der Tatsache, dass hier eine >Opern<-Verfilmung vorliegt und die Vorlage genügend musikalisches Material bereitstellt, verwendet der Film (a) Brecht-Weill Songs, die nicht zur Oper gehören, arbeitet er (b) anachronistisch Kitsch-Musik ein, die aus einem Nazi-Propagandafilm stammt, und unterlegt er (c) seine Handlung mit musikalischer Beiwerk-Berieselung, ein Verfahren, das ausdrücklich gegen alle ästhetischen Prinzipien Brechts verstößt. Fakten-Belege lie- gen vor. 4. Das >Versprechen<, ausschließlich originale Brecht-Zitate zu verwenden, unterläuft der Film (a) mit >Fremd<-Zitaten, die dem Brecht-Darsteller in den Mund gelegt werden, (b) mit verstümmelten bis entstellten Zitaten und (c) mit einem anachronistischen Gemisch von Original-Zitaten, das gera- dezu >vorbildlich< demonstriert, wie mit Zitaten Lügengespinste konstruiert werden können. Fakten-Belege liegen vor. Daraus resultiert: 1. Die Filmemacher bemächtigten sich eines historischen Stoffs sowie historischer Personen, deren historische Grundlagen und Umfelder sie unzureichend bis gar nicht recherchiert haben. Somit stel- len alle >historischen< Vorgaben, die der Film einsetzt – Titel, Vorspann-Ankündigungen, eingefügte historisch nachprüfbare Daten u.a. –, mutmaßlich vorsätzliche Täuschungen des Publikums dar, die allen Gepflogenheiten der in der Filmbranche üblichen Hinweise auf >Authentizität< des Dargestellten (auch bei aller zugestandenen >künstlerischen Freiheit<) widersprechen. 2. Die Expertinnen-Jury des FBW hat die Täuschungen etc. nicht erkannt und ist ganz offenbar den Selbstdarstellungen der Filmemacher ohne oder nur nach fahrlässiger Prüfung gefolgt (genauer: hat sie diese durch hyperbolische Formulierungen in der Prädikatsurkunde noch weit übertroffen). 3. Die mit der Prämierungen verbundenen >Folgen< finanzieller, aber auch ideeller Art sind unrecht- mäßig, wenn nicht unlauter erworben und müssten in einer funktionierenden demokratischen Gesellschaft, weil es sich um öffentliche Gesellschaften und Gremien handelt, auch öffentlich richtig gestellt und sanktioniert werden, gleichgültig, ob dieser Film, über den der Markt längst entschieden hat, noch aktuell ist oder nicht. 4. Die Übernahme des Films in das Programm der VISIONKINO erfolgte aufgrund falscher Voraussetzungen und ist sofort zu stoppen. Für die bereits mit dem Film durchgeführten Schul- und Kinovorführungen sind die Lehrerinnen und Kursleiter zu unterrichten, damit mutmaßlich schädliche Folgen ihrer Veranstaltung überprüfbar werden. Die Literaturwissenschaft als Kritische Wissenschaft von allen Texten ist die einzige Wissenschaft, die (noch) in der Lage ist, das Gefüge von Simulation, Illusion, Imagination, Fantasie, Fiktion, »Matrixszenarien« einerseits und Realität bzw. Wahrheit andererseits sowie ihrer komplexen Vernetzungen zu analysieren und zu begreifen (im Wortsinn: be-greifen, auf den Begriff bringen). Die >moderne< und >postmoderne< Philosophie beglückt uns ständig mit neuen Theorien über die Allmacht des menschlichen Geistes als des eigentlichen Baumeisters oder Konstrukteurs der >Welt< und benennt das >Ergebnis< vortechnisch mit >Weltbild< oder >Weltanschauung<. Darüber ver- gisst sie den Stoffwechsel, der die tägliche Grundlage des Lebendigen bildet – sowie die Tatsache, das Technik nur Hilfs-, aber kein Erkenntnismedium ist und sein kann. Macht und Ohnmacht des Menschen manifestiert sich in seiner Literatur und nicht in der Technik. Die Literaturwissenschaft analysiert sie und macht sie bewusst. Denn das menschliche Medium ist die Sprache und ihr >Organ< der >lebendige Leib<. Ich formuliere dies als Vertreter der Literaturwissenschaft und als – für diesen Fall ausgewiesener – Brechtforscher ohne weitere Interessen als die, meinem Eid, den ich mit der Promotion im Juli 1972 an der Georg-August-Universität zu Göttingen vor der Philosophischen Fakultät abgelegt habe, zu genügen. Dieser Eid fordert (nicht nur) von mir, u.a. »nach Wahrheit zu streben und wissenschaftli- che Erkenntnisse nicht zu unterdrücken oder zu verfälschen, [mein] Wissen und Können zum Wohle der Menschen, ohne Ansehung der Person einzusetzen«. Als Hochschullehrer vertrete ich zudem an verantwortlicher Stelle das im Grundgesetz verankerte Bildungsrecht, das unter Aufsicht des Staates steht. Gez.: Jan Knopf Da der Film vor allem durch den SWR sowie durch einen Redakteur des SWR >vertreten< worden ist, besteht Bedarf zu erfahren, welch treibende Rolle der öffentlich-rechtliche Sender und vor allem sein Verwaltungsratsvorsitzender Hans-Albert Stechl, der seit April 2016 (!) in die Entstehungsgeschichte des Films im SWR verwickelt war, gespielt haben (Mail an RA Stechl aus der ABB KA vom 15.04.2016, 11:32). RA Stechl war also bereits im Vorfeld unterrichtet, dass die Vorbereitung des Films erhebliche Mängel aufwies, hat aber, anstatt die Angelegenheit untersuchen zu lassen, diese dem Justitiar übergeben (wie heute üblich). Was da alles ohne Öffentlichkeit stattge- funden haben muss, sich aber denn doch in ihr niedergeschlagen hat, lassen Berichte ahnen, deren Links ich Ihnen hiermit mitteile. https://taz.de/MeToo-Vorwurf-beim-SWR/!5715698/ https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.verfahren-vorm-arbeitsgericht-stuttgart-streit-ueber-sexuelle- belaestigung-beim-swr.9527e2b1-d509-428b-bc7b-5d51b107c57c.html https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.stuttgart-fernsehpreistraeger-klagt-gegen-sender-regisseur- im-clinch-mit-dem-swr.254bcd9f-2376-4bb7-bb9b-159c4837c279.html?reduced=true Rastatter Tageblatt, 6. Februar 2017 (Vorfinanzierung sowie Geheimhaltung, auch der Finanzen = s.a. Werbefilm des SWR) Vielleicht liegen die Gründe für Ihr Urteil gar nicht bei Ihnen; dann wäre es aber angebracht (Sie wer- den sich für die Belehrung bedanken, macht nichts), wenn Sie sich an den SWR wendeten. Ich hänge also den Text nochmals an und dazu eine kleine Dokumentation für >Ästhetisierung der Politik<: nach Walter Benjamin ein präfaschistisches Verfahren, die Realitäten mit schönem (glänzen- dem) Schein zu überdecken; John Heartfield und BB nannten das Verfahren "Anstreichen"; dazu ist viel Tünche nötig. Mit den besten Grüßen aus der badischen Provinz, aus dem Tal der neuen Ferngesellschaft und Simularien (zu teutsch: exoevolution valley) Jan Knopf // 2 Anhänge (11) Knopf, Jan (GEISTSOZ) Gregory Mohr <Mohr@fbw-filmbewertung.com>;Bettina Buchler <buchler@fbw- filmbewertung.com>;Kathrin Zeitz <zeitz@fbw-filmbewertung.com>;Mathias Mayer <Mayer@fbw- filmbewertung.com>;Ursula Gontermann <gontermann@fbw-filmbewertung.com> ;volker.schmidt@hmwk.de; zobel.j@3sat.de;pressedesk@zdf.de;bloemer.s@zdf.de;presseportal@zdf.de;BAKlein@bmi.bund.de stechl-anwalt@t-online.de; Diana Iljine <diana.iljine@filmfest-muenchen.de>; annette.gilcher@SWR.de; berlinale@spio.de;telespectateurs@arte.tv; claude.savin@arte.tv; katja.birnmeier@arte.tv; lucia.goehner@arte.tv; manuel.schoenung@arte.tv Sehr geehrte Damen und Herren, wundern Sie sich nicht; ich bleibe hartnäckig und liefere Ihnen ein weiteren Zwischenbericht. Die Angelegenheit ist inzwischen auch beim Bundespräsidialamt gelandet, weil der bestandete Film weiterhin mit dem FBW-Prädikat (die FBW hat natürlich nichts mit der Ausstrahlung in den öffentlich- rechtlichen Sendern zu tun, liefert ja nur die >Werte< dazu) bei VisionKino und Planet Schule im Programm steht und dort nichts zu suchen hat - und dies alles mit der aktiven oder indirekten Unterstützung Ihrer Institutionen. Ich erinnere nochmals daran, dass der Film dem Anspruch, den er an sich selbst stellt, nicht ent- spricht; sodass die Folgerung nach den Satzungen der FBW nur lauten kann: das Prädikat der FBW ist nicht haltbar. Dafür liegen nachprüfbare Fakten vor, nicht Ansichten oder Meinungen. Das Prädikat ist deshalb offiziell zurückzunehmen. Die FBW machte sich sonst auf Dauer unglaubwürdig, ganz ab- gesehen von den politischen Schäden, die entstehen, wenn die öffentlich-rechtlichen Sender ihr Urteil übernehmen und damit antisemitische Tendenzen unterstützen sowie mit solchem >Bildungsstoff< auch noch die Schulen behelligen. Es soll vorkommen, dass Gremien überfordert sind. Wenn gut ausgestattete Anbieter (in diesem Fall wohl der SWR vor allem) lautstark, selbstgewiss und mit einem Werk von ungeheurer >Komplexität< auftreten, erscheint der Schein gelegentlich als Sein. Wenn dann der Regisseur auch noch als Stellvertreter des Autors (auf Erden) auftritt und allen Beteiligten freien, scheinbar selbstbestimmten Lauf lässt, soll es gelingen, sich Gefolgschaft zu sichern wie ein Guru. Diese Gemeinschaft glaubt am Ende unbesehen jedes Wort und auch jedes falsche sowie unsinnige Wort und macht es sich zu eigen und lässt es sogar drucken oder senden (s. Anhang). Die Beteiligten - einschließlich der Chefin des FBW - haben nur nicht daran gedacht, dass ihre selbstgewissen Auftritte in einem teuren und aufwändig gedruckten Presseheft oder in extra bestell- ten Filmen zur/über die Produktion (es waren mindestens zwei) selbstverräterisch werden könnten. Ihre Lobeshymnen kommen dermaßen überzogen, euphorisch und apodiktisch einher, dass selbst RED BULL vor Schamröte erblassen könnte. Besonders bedenklich wird die Sache dann, wenn die Presse diese Urteile weitgehend übernimmt, weil sie sich keine Zeit mehr nimmt und es nicht wagt, die behaupteten Komplexitäten zu >hinterfragen<. Allein, dass der Intendant diesen Film zu seiner "Herzensangelegenheit" erklärt hat, sollte zu beden- ken geben. Herzensangelegenheiten sind persönliche >Anliegen< (wie man heute sagt). Ich weiß nicht, in welche persönliche Verstrickung Intendant Peter Boudgoust mit diesem Film geraten ist - oder wofür der Aufsichtsratvorsitzende des SWR, Hans-Albert Stechl, im Abspann des Films (2:03:36) Weiß auf Schwarz "Herzlichen Dank" attestiert erhält: Hat er im SWR-Symphonieorchester die zweite Geige gespielt? In Anbetracht der unsäglichen Kampagnen gegen die öffentlich-rechtlichen Sender unter dem faulen Stichwort "Lügenpresse" und der Versuche, unsere demokratischen Sender immer mehr zugunsten von privatem Boulevard zu verdrängen, müssen die Öffentlich-Rechtlichen im Fall von Fehlurteilen auch konsequent die Verantwortung übernehmen und Fehler korrigieren. Sonst sind die Beteuerungen, die ich immer wieder für diesen Fall in schriftlicher Form erhalten habe (FBW, ZDF, 3sat, SWR, arte, Landesbeauftragte gegen Antisemitisms Hessen/BW), die Bewertungen seien "un- abhängig" getroffen worden sowie "unparteiisch" und "nach bestem Wissen und Gewissen" entstan- den, nicht mehr glaubhaft. Fehler unterlaufen; auf Fehlern beharren führt zur Verantwortungslosigkeit; Fehler ignorieren ebenfalls. Sie vertreten mit ihren Institutionen Kultur im weitesten und engeren Sinn, wobei letztere ohnehin einen schweren Stand hat. Ich vertrete eine Kulturwissenschaft, die versucht, sich als Wissenschaft in schwierigen Zeiten zu behaupten. Das ist nur möglich, wenn ihre Erkenntnisse als Fakten disku- tiert (anerkannt oder widerlegt) werden. Andersfalls würden Kultur- und Bildungsaufträge sinnlos, ihre Finanzierung wäre nicht zu verantworten. Sachlich überprüfbare Reklame: ja, Selbstbeweihräucherung und Selbstgefälligkeit: nein. Falls Sie vermuten sollten - ja? -, hier spräche (genauer: schriebe) ein enttäuschter Brechtologe, der >seinen BB< nicht gewürdigt sähe, so kann ich nur daran erinnern: >wahrhaft Brecht'sch< trifft schon deshalb daneben, weil Brechts ästhetische Maxime lautete: >Alles braucht Änderung<. Über diese und Brechts Kunst habe ich in meinen Einsprüchen nicht gehandelt. Ich habe Sie lediglich an Ihre eigenen Ansprüche erinnert. Dazu vielleicht noch einige Brechtiana zum Bedenken (sie kommen im Film ausnahmsweise nicht vor): ICH VERGESSE MEINE ANSCHAUUNGEN IMMER WIEDER, KANN MICH NICHT ENTSCHLIESSEN, SIE AUSWENDIG ZU LERNEN.* DAS SICHERE IST NICHT SICHER - UND NOCH NICHT EINMAL DAS IST SICHER. WER IMMER ES IST, DEN IHR SUCHT: ICH BIN ES NICHT! IN MIR HABT IHR EINEN, AUF DEN KÖNNT IHR NICHT BAUEN. >Einen Fehler machen und ihn nicht korrigieren, das erst heißt wirklich einen Fehler machen.< Konfuzius (551-479 v. Chr.); Chinese. Ich wünsche ein gutes Wochenende. / Mit freundlichen Grüßen / Jan Knopf *Korrektur 28.5.2021: Dieser Satz kommt im Film doch vor; mein Irrtum. Bitte um Nachsicht. (12) Von: Knopf, Jan (GEISTSOZ) <jan.knopf@partner.kit.edu> Gesendet: Donnerstag, 20. Mai 2021 09:39 An: Bettina Buchler <buchler@fbw-filmbewertung.com> Cc: Gregory Mohr <mohr@fbw-filmbewertung.com> Betreff: Betr.: Mackie Messer Sehr geehrte Frau Buchler, vermutlich werden Sie mir gram sein oder mich einfach für überflüssig und deshalb für aufdringlich halten; aber ich hatte Ihnen bereits versichert, dass ich in dieser Sache hartnäckig bleibe, und dies auch deshalb, weil ich, je intensiver ich den >Quellen< nachgehe, auf desto mehr Abgründe stoße. Die teile ich Ihnen - wiederum nur in Ausschnitten - im Anhang mit. Ich fordere Sie deshalb auf als Vertreter und Leiter einer öffentlichen Instiution an einer unserer Elite- Universitäten, der ABB in Karlsruhe, als Fach-Vertreter einer Wissenschaft und dazu als international ausgewiesener Brecht-Experte auf, die Dokumente, die ich als Beweise für eine Aberkennung des Prädikats Ihrer FBW für den Mackie-Messer-Film vorlege, zu prüfen, öffentlich zu diskutieren und dann - wenn nötig - die Konsequenzen zu ziehen. Ich wende mich nicht an Sie als einzelne Persönlichkeit, sondern an Sie als Direktorin einer Institution, die maßgeblichen Einfluss auf die Filmkunst in der Bundesrepublik Deutschland ausübt und es auch zu verantworten hat, wenn Ihre Prädikate als Empfehlungen sowohl in der Öffentlichkeit als auch in der Bildung entscheidende Rollen spielen und dadurch, wie in diesem Fall, ein Millionenpublikum erreichen. Sie sind qua Amt verpflichtet, die Entscheidungen zu prüfen und in der Öffentlichkeit zu vertreten. Auch wenn Sie sich in diesem Fall bereits festgelegt haben, haben Sie keine Berechtigung, sich auf die üblichen (heute wuchernden) >Argumente< zu berufen, wie: die Sache liege schon über zwei Jahre zurück, das ExpertInnen-Gremium sei unabhängig, die Entscheidungen seien eingehend beraten worden, mit besten Wissen und Gewissen getroffen etc. etc. und damit die Angelegenheit als erledigt anzusehen und entsprechend Ignoranz oder gar Missachtung zu üben. Wenn nachweisbar ist, dass ein bereits prämierter Film Ihren eigenen Bewertungskriterien eklatant widerspricht, dann ist dies eine offen zu prüfende, allgemein angehende Angelegenheit, die auch nachträglich zum Widerruf zwingen muss, wenn die FBW glaubhaft bleiben soll. Hier handelt es sich verschärfend darum, dass - aus welchen Gründen auch immer - eine Nazi-Tradition in einen heutigen Film unterschwellig und dann auch noch zusätzlich im musikalischen Bereich symbolträchtig aufge- nommen ist und so weiter tradiert wird. Die offenbare Tatsache, dass dies >niemand< bemerkt hat und Sie und Ihre Jury dies angeblich auch heute nicht nachvollziehen können, spricht - nach Vorlage der Belege - nicht für diese Argumente, sondern gegen sie und ihre VertreterInnen. Die Rassismen und Antisemitismen sind, so ist leider zu folgern, schon wieder (oder immer noch) so >ins Blut< über- gegangen, dass sie als solche nicht mehr vorhanden zu sein scheinen und deshalb nicht erkannt werden. Wissenschaft aber ist dazu da, solche Sachverhalte ohne Rücksicht offenzulegen und zur Diskussion zu stellen. Wenn Ihr ExpertInnen-Gremium für Filmbewertung maßgebliche Filmproduzenten und Filmregisseure nicht kennt, wenn Ihr Gremium nicht in der Lage ist, sich im Fundus von ehemaligen Nazi-Filmen und der Liste der >Vorbehaltsfilme< umzusehen, obwohl die Filmemacher ihre Quellen offenzulegen haben und im Abspann auch ausweisen, wenn sie grobe Anachronismen nicht erken- nen oder Zitatfehler mit geflügelten Worten in toto übersehen und sogar noch drucken lassen, wenn Ihr Gremium in einer Urkunde >widerspiegeln< nicht korrekt schreiben kann (ich weiß, dies wenigs- ten haben Sie inzwischen heimlich korrigieren lassen), wenn nicht bemerkt wird, dass der Film sein Genre verfehlt und damit den eigentlichen Urheber desavouiert, dann ist dies ein Skandal und durch keine >künstlerische Freiheit< oder Unabhängigkeit etc. zu rechtfertigen. Nur noch drei Einzelbeispiele: Obwohl die Angabe des "Hoppla"-Lieds im Abspann erfolgt, verschweigt sie - was ohne weiteres eru- ierbar gewesen wäre und zu solider Recherche selbstverständlich gehört - dessen Entstehungsdatum wie auch die Herkunft aus dem Nazifilm. Das ist >niemandem< aufgefallen? Wie kommt es, dass zwei (ehemalige) DDR-Musikwissenschaftler als wissenschaftliche Beratung (sozusagen aus der Versenkung) auftauchen (s. Abspann) - ich kenne beide aus langer, bis in die DDR-Zeiten zurückgehender Zusammenarbeit (seit 1983!) - und dass diese nichts gegen die Verunstaltung der ursprünglichen Dreigroschenmusik einzuwenden hatten? Hat Ihre Jury auch nur einen der beiden, ehe sie den >wahrhaft Brecht'schen< Film kreierte, kontaktiert? Wie kommt es, dass der Film in Kostüm und Szenen ständig immer wieder den Dreigroschenfilm von G.W. Pabst >zitiert< (Ausstattung Pollys >bis aufs Hemd<, sozsuagen, Ausstattung Mac als eitler Fatzke; die Bordell-Szenen, Übernahme der >Seeräuberjenny< etc.). Kannte >niemand< aus Ihrer Jury den weltberühmten Vorgänger? Und wie sieht es mit der >Produktplatzierung< aus: den nackten Brüsten im Tanzlokal. In >Babylon Berlin< war Einiges los, aber nackte Brüste auf der Tanzfläche gab es nicht, die gab's nur in den di- versen Separees, auch nicht in den Bars der Puffs. Hat niemand bemerkt, dass der Film-Mac u.a. an der offen liegenden Brustwarze der Nutte herumfummelt? Diese Art von sexueller Gehirnwäsche (eingeblendete Spots!) wollen Sie weiterhin in die Schulen transportieren? Wenn Sie, wie ich anzunehmen gedrängt werde, auf die Herren (hier ausnahmsweise ohne Damen) des SWR - die Namen kennen Sie - hereingefallen und Ihnen vorbehaltlos gefolgt sind, dann wenden Sie bitte Ihren möglichen Unmut, den Sie inzwischen auf mich fixieren werden, gegen diese und de- cken Sie auf, was da alles abgelaufen ist. Zu befragen wären dabei auch die aufwändigen Außenaufnahmen in der Villa Fuchs, im Schloss Rastatt oder in Gent und Antwerpen (nicht nur) und die entsprechenden Begleitfilme (work in progress) mit groß aufgeputzten Dutzenden bis Hunderten von Komparsen, die dann auch in zwei Fällen statt der Polizei - wie in der realen Historie VOR den Kulissen, also eine einfache, aber missachtete Tatsache - als SA in Braunhemden (der Farbe wegen?) ausgestattet wurden. Und wieso wird aus einem Spielfilm innerhalb von gut zwei Jahren nach der Premiere ein dreimal abgespulter Fernsehfilm? Über die zusätzlichen Geldzuwendungen - München! Söder - schweige ich mal. Und ich schweige auch darüber, dass man erst den "Glauben" befragen muss, ehe im >Stereotyp< eines Geschäftsmannes >der Jude< erkennbar wird? Bitte überdenken Sie noch einmal den Satz Ihres wissenschaftlichen Filmexperten, geschrieben am 26.2.2021 an mich: "Vielleicht ist die Darstellung des Seymour Nebenzahl eine stereotype oder eine im Sinne der Dramaturgie stehende funktionalistische, die aber keinesfalls auf seinen Glauben rekurriert." Für mich ist diese Aussage und die Unterstellung dazu nichts anderes als ebenfalls (verborgener) Antisemitismus; denn diese "Juden", die der Nazis nämlich, waren Erfindungen der Staatsterroristen mit Unterstützung breiter >Volksschichten< - leider denn mit sehr realen und grausamen Folgen. Das hatte und hat bis heute alles nichts mit jüdischem Glauben tun. Es ging sehr viel mehr um ihre gesellschaftliche Stellung und da vor allem um ihre Geschäfte! Und da sind >funktionalistische Darstellungen< von Juden als Geschäftsleute in brisanten politischen Kontext antisemitisch, vor allem dann, wenn es eigentlich um Kunstfragen geht. Die meisten >Juden< waren Deutsche und wurden als Deutsche von Deutschen verfolgt, Nebenzal gehörte dazu. Er wusste, bevor die Nazis ihn dazu stempelten, gar nicht, dass er Jude >ist< (sein sollte). Es geht nicht um Glaubensfragen. Was ist das für ein Denken? So - und nun sind Sie an der Reihe. Tut mir leid, wenn ich Sie mit Dingen beschäftige, die Ihnen un- gelegen kommen. Ich lasse in dieser Sache nicht locker. Mit freundlichen Grüßen / Jan Knopf Anmerkung: Ich war tatsächtlich der irrigen Meinung, dass mit dem voranstehenden Schreiben endlich eine inhaltliche Auseinandersetzung erfolgen müsste und dass es möglich sein könnte, gemeinsam darüber zu debattieren – und zwar öffentlich –, wie mit diesem Fall und künftig bei Vermeidung ähnlicher Fälle umzugehen sei. Stattdessen beendet die Direktorin einseitig den Diskurs und schämt sich nicht – oder sollte ich formulieren? entblö- det sich nicht –, sich zur falschen Adresse zu erklären. (13) Betr.: Mackie Messer Bettina Buchler <buchler@fbw-filmbewertung.com> Di 25.05, 13:47Knopf, Jan (GEISTSOZ);Gregory Mohr <mohr@fbw-filmbewertung.com> Sehr geehrter Herr Prof. Knopf mit Interesse habe ich Ihr Schreiben gelesen. Es ist ganz im Sinne der von Ihnen intendierten wis- senschaftlichen Diskussion. Unsere Jury, die sich hier ausführlich mit dem Film beschäftigt hat, ist jedoch zu einer anderen Auffassung und einer anderen Bewertung gelangt. Diese Bewertung ist ausführlich in dem von uns veröffentlichten Gutachten dargelegt. Wir begrüßen es sehr, dass das Kulturgut Film, welches die FBW mit ihrer Arbeit unterstützt, in sei- ner künstlerischen Vielfalt auch einen gesellschaftlichen Diskurs in der Öffentlichkeit möglich macht. Die von Ihnen an uns herangetragenen Wünsche sind nicht mit dem Auftrag, den uns die Bundesländer gegeben haben, zu erfüllen. Dies wurde auch bereits ausführlich in unserem Schreiben vom 15.2.2021 dargelegt. Wir als Behörde für Film- und Medienbewertung wollen diesen für viele unterschiedlichen Interpretationen und Auffassungen offenen Diskurs nicht einschränken. Und dies obliegt uns auch nicht. Ihre Hartnäckigkeit in Ehren. Und Respekt auch für Ihre Arbeit und Recherche. Ich hoffe jedoch sehr, dass ich Ihnen mit diesem Schreiben abschließend vermitteln konnte, dass wir nicht der richtige Adressat sind für Ihre Ausführungen. Mit freundlichen Grüßen Bettina Buchler Kommentar: Von den ausgiebig vorgelegten Fakten und ihren Zusammenhängen bleiben >meine< »Wünsche« übrig, die sich angeblich nicht mit dem Auftrag der FBW vereinbaren lassen. Folglich ist die FBW die falsche Adresse, wie der vorliegende Mailwechsel ja wohl eindeutig beweist, nämlich: die Mitteilung, sie wäre eine Mitteilung, fällt mit der Mitteilung, sie sei keine Mitteilung, zusammen. Damit hat Bettina Buchler – wiederum ungewollt und sehr unüberlegt – schriftlich bestätigt, dass sie nicht gewillt ist, die ihr und ihrer Behörde aufgetragenen und öffentlich zu vertretenden Verpflichtungen auch nur zur Kenntnis zu nehmen, von Verantwortung ganz zu schweigen. P.S.: Nach der Verwaltungsvereinbarung über die Deutsche Film- und Medienbewertung (VV-FBW) untersteht die FBW der Dienstaufsicht des Hessischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst. Wie deren Bereitschaft zu ihren Aufgaben aussieht, belegt ein Mailwechsel mit dem Pressesprecher des Ministeriums, der erst nach wiederholter Aufforderung bereit war, die Sache zur Kenntnis zu nehmen, dann ebenfalls beschloss, eine Auseinandersetzung durch einseitige Beendigung des Mailwechsels zu vermeiden und seitdem seine AdministratorInnen angewiesen hat, meine Mails zu blockieren. Beim Versuch, die Blockade über einen anderen Account zu umgehen, dauerte es einige Zeit, bis die Blockade auch da funktionierte. Hier die Dokumentation des Mailwechsels: Volker.Schmidt@hmwk.hessen.de Mo 15.02, 10:26 Sehr geehrter Herr Knopf, die Mailadressen der Filmbewertung lauten, wie Sie deren Website entnehmen können, nach- name@fbw-filmbewertung.com. Ich erlaube mir nun mit Ihrer freundlichen Erlaubnis, Ihr vermeintlich „zurückgewiesenes“, tatsächlich falsch adressiertes Anliegen weiterzuleiten. Weitere Schritte wird dieses Haus nicht unternehmen: Die Deutsche Filmbewertung ist in ihrer Bewertungstätigkeit unab- hängig von der hessischen Landesregierung und anderen Regierungseinrichtungen. Besten Gruß / Volker Schmidt Knopf, Jan (GEISTSOZ) Mi 24.02.2021 12:38 Sehr geehrter Herr Schmidt, sorry, ich fürchte, Sie wollen mich missverstehen. Da Ihre Adresse die Kontaktadresse des Ministeriums ist, fordere ich Sie hiermit also auf, Ihr zustän- diges Ministerium davon zu unterichten, dass ich darum bitte zu überprüfen, ob für den genannten Fall die vorgegebenen, überprüfbaren Kriterien der FBW eingehalten wurden, ob Ordnungs- und Regelverstöße der "Zuständigen" vorliegen und unsere demokratischen Gesetze eingehalten worden sind. Es geht u.a. um latenten Antisemitismus und unterschwellige nationalistische Tendenzen, die öffentli- ches Interesse haben und insofern auch in die >Zuständigkeit< des Ministeriums fallen. Es ist unan- gebracht, mir daraufhin Aufforderung von "Einflussnahme" zu unterstellen, und ich muss Sie bitten, dies offiziell zurückzunehmen. Überdies verweist Ihre harsche Antwort darauf, dass Sie wieder einmal die Sache mit versuchter Besserwisserei (= Belehrung) zu unterlaufen suchen und Ihre Zuständkeit einfach zurückweisen (auch das kennen wir). Wenn Sie das, was ich vorbringe, als "Anliegen" qualifizieren, so halte ich dies - aus genannten Gründen - für eine Aufdringlichkeit Ihrerseits und unsachgemäße Qualifizierung des angesprochenen Sachverhalts (der mit mir persönlich nichts zu tun hat). Ich pflege in solchen Fällen, damit Sie viel- leicht auch was zum Schmunzeln haben, zurückzufragen: Muss es so eng sein? Mit verbindlichen Grüßen Jan Knopf Volker.Schmidt@hmwk.hessen.de Mi 24.02, 11:05 Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Knopf, es liegt mir fern, die Sache, die Sie vertreten, zu bewerten, denn das ist weder meine Aufgabe noch die des Ministeriums, in dem ich als Pressesprecher arbeite. Ich hatte Sie bereits darauf hingewie- sen, dass die FBW unabhängig handelt. Wenn Sie darüber nachdenken, werden Sie sicher auch gut- heißen, dass solche Bewertungen frei von der Einflussnahme einer Landesregierung oder ihrer Ministerien stattfinden. Für die Belehrung, dass ich Begriffe verwende, die auch im Wörterbuch des Unmenschen zu finden sind, bedanke ich mich herzlich, würde mich aber freuen, wenn Sie mir künftig nicht mehr schreiben, sondern sich an die Ihnen mitgeteilten Zuständigen wenden. Besten Dank / Volker Schmidt Die Mails – siehe Uhrzeit – hatten sich offenbar überschnitten; der Mailwechsel endete mit der Blockade meiner Mails durch den Pressesprecher des Ministeriums: Hier ein Beispiel aus mindestens fünf Meldungen der „Mail Delivery“: Mail Delivery System <Mailer-Daemon@scc-mailout-kit-01.scc.kit.edu> Mo 10.05, 17:04 volker.schmidt@hmwk.de Posteingang Die Zustellung an folgende Empfänger oder Gruppen verzögert sich: volker.schmidt@hmwk.de Betreff: Ignoranz gegenüber Antisemitismus - nochmals der Dreigroschenfilm Diese Nachricht wurde noch nicht zugestellt. Es wird weiterhin versucht, die Nachricht zuzustellen. Diagnoseinformationen für Administratoren: Generierender Server: scc-mailout-kit-01.scc.kit.edu volker.schmidt@hmwk.de Remote Server returned '554 5.4.0 < #4.0.0>' Aus diesem Mail-Wechsel lässt sich folgendes historisches Fazit ziehen: Die FBW unterstützt als Behörde einen Film mit antisemitischer Tendenz, weil ihre Jury keine solche Tendenz er- kannt hat. Nachweise, dass sie faktisch vorliegen, können nicht beachtet werden, weil damit ein Eingriff in die Unabhängigkeit ihrer Jury vorläge. Obwohl das Gutachten der FBW laut Rechtsgrundlagen (VV-FBW) »gesetzliche Relevanz« hat und folglich ein Gesetzverstoß vor- liegen könnte, sieht das zuständige Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst kei- nen Handlungsbedarf und beruft sich seinerseits auf die Unabhängigkeit der FBW. Also macht die >Unabhängigkeit< sowohl die FBW als auch ihre Jury >absolut< und kann folglich auf den Fall nicht angesprochen werden: Ministerium und FBW sind die falsche Adresse. In letzter Konsequenz heißt dies: Es gibt diesen Fall gar nicht. Unabhängigkeit zur absoluten Instanz zu erklären, das hieß einst: Feudalismus (auch Absolutismus genannt); wörtlich: losgelöst von allem. Genau dies ist offenbar intendiert: Alles soll im Sande verlaufen, der Kuchen ist ja schon ge- gessen. Die Reste und den Unrat überlassen wir den Nachgeborenen mit Prädikats-Siegel. Der Fall >Mackie Messer< gehört in die Öffentlichkeit. Er liefert ein Paradebeispiel dafür, wie weit die Sublimierungen und Verdrängungen und Tabuisierungen der Nazi-Vergangenheit (auch die der ehemaligen DDR) bereits fortgeschritten sind, dass selbst die Feuilletons der bürgerlichen Presse wie DIE WELT und Die Süddeutsche Zeitung oder die öffentlich-rechtlichen Sender, die gleich mehrfach innerhalb kürzester Zeit diesen Kinofilm in ihre Abendprogramme aufnahmen, antisemiti- sche Muster nicht erkennen und sich vom Selbstlob der Produzenten blenden bzw. regelrecht vor- führen lassen. Um so dringlicher wird die Frage, welche Rolle die Kultur- und Geisteswissenschaften, hier die Literatur- und die Medienwissenschaft, für die Zukunft unserer Demokratie spielen sollen und müs- sen. Noch sind sie an den Universitäten als Wissenschaften fest verankert, sind sie gesellschaftlich anerkannt und werden durch die öffentlichen Bildungseinrichtungen unseres demokratischen Gemeinwesens finanziert. Ihre Ergebnisse müssen, so dir rechtliche Verpflichtung, öffentlich vorgelegt werden und durch nach- gewiesene Fakten nachprüfbar sein. Diese Wissenschaften allein können auf die Dauer garantieren, ob zukünftig nur noch Meinungen, Ansichten, Auffassungen ausgetauscht oder ob auf Fakten ge- stützte Erkenntnisse diskutiert werden. Beliebigkeit steht gegen Verbindlichkeit. Demokratie funktio- niert durch Übereinkunft, die sich auf Kenntnisse, Fähigkeiten und objektivierbares Wissen sowie auf nachvollziehbare, argumentative Kommunikation stützt. Nur so lässt sich ein Gemeinwesen aufrecht erhalten, das von seinen Bürgern nach ihrem Grundgesetz verlangt, dass sie in der Verantwortung stehen und ihre eigene Würde nur dann beanspruchen können, wenn sie sie allen in gleicher Weise zugestehen. »Die Deutschen haben überhaupt keinen Sinn für Geschichte, vermutlich weil sie keine Geschichte haben.« (GBA 27,296.) Bertolt Brecht am 3. Januar 1949 vor der >Kulisse< des zerstörten Berlin und zum Entschluss des damaligen Vorsitzenden der SED und künftigen Präsidenten einer >Deutschen Demokratischen Republik<, Wilhlm Pieck, das ausgelöschte Grabmal von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht im russischen Sektor nicht wiederherzustellen.
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DOKUMENTATION Schreiben an FBW 02