Caspar Neher, Brechts bester Freund:  „Brecht // Baal“

BB drückt sich aus


Wozu sich ekeln und erröten?

Prachtvoll wird der dramat'sche Held

Vom Dichter statt in Seelennöten

In Leibesnöten dargestellt.


Traut auf der Bühne ragt das kleine,

Mit einem Herz geschmückte Haus,

Und dankerfüllt jauchzt die Gemeine:

Der Dichter drückt sich prachtvoll aus.


Was vornehm-symbolisch-mystisch

Pertolts Poetenhirn erdacht,

Das hat er kühn und realistisch

Neutönend zu Papier gebracht.


Selbst das Verschwiegenste ward dichtbar!

Ein Blick zur Türe zeigt dir jetzt,

Obgleich der Mime gar nicht sichtbar:

Die Rolle ist famos besetzt!


Von denen, die den Saal betreten,

Drehn sich nur wen'ge schaudernd um.

Zu seinem Lieblings-Popoeten

Paßt gut das P. P.-Publikum.


(Umschlag-Entwurf, München 1919, für das Stück „Baal“ von 1918)*

Am 14. Februar 1926 brachte die „Junge Bühne“ im Deutschen Theater Berlin die Neufassung von Brechts Frühwerk Baal heraus. Sie hatte den Titel Lebenslauf des Mannes Baal und zeigte erstmals einen „Geschlechtsakt“, wie man damals vornehm sagte, auf offener Bühne. Nach verrichteter Liebesmüh verkrümelte sich der Unhold zudem noch – auch dies mitten auf der Bühne – in den „Abtritt“, wie damals die Scheißhäuser mit Herz und „Plumps“ hießen. Da stank die Schweinerei endgültig zum Himmel. Es gab einen Skandal, wie ihn Berlin bis dahin nicht gekannt hatte. Und Brecht war mit einem Schlag berühmt.


Als am Sonntag, dem 21. März 1926, eine zweite Aufführung als Matinee im Wiener Theater in der Josefstadt erfolgte, zelebrierten die Österreicher das Stück bereits als Gottesdienst moderner Art, verfassten für das Publikum einen begleitenden Chorgesang (Geburtsstunde des legendären „Lehrstücks“ als Mitmach-Theater) und publizierten das Meisterwerk der Skatotologie als echt teutsche Ticht-Kunst im Salzburger Volksblatt. Kritiken gab’s nicht, weil alle mitwirkten. – BAAL war u.a. ein heidnischer Gott oder Moloch oder auch Teufel (Näheres s. Bibel). SKATOS ist kein Gott, sondern einfach nur ein Scheißhaufen und kommentiert gern in der Kurzform „Scheiße“ beliebig viele menschliche Äußerungen. Für Lyrik gilt gemeinhin: Sie ist emotionaler Ausdruck des Inneren und rein subjektiv. Basst scho.

*(Die Tusche-Zeichnung stammt von Caspar Neher; der ehemalige Besitzer, Jürgen Stein, in dessen Nachlass sich das Original befindet, hat Jan Knopf exklusiv die Erlaubnis zur Publikation erteilt. Fortsetzungen folgen.)


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